Leitsatz
1. Die Grundsätze einer ausnahmsweise zulässigen Saldierung von Zinsaufwendungen bei wechselseitig gewährten Darlehen gelten bei der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrages auch für Darlehen innerhalb eines Cash-Pools.
2. Die vielfältigen wechselseitigen Schuldverhältnisse innerhalb eines Cash-Pools sind im Falle der Saldierung bankarbeitstäglich zusammenzufassen und fortzuschreiben. Nur der für einen dann gegebenenfalls verbleibenden Schuldsaldo entstehende Zins ist hinzurechnungsfähiges Entgelt i.S. des § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 GewStG. Dieses hinzurechnungsfähige Entgelt ist nicht mit danach entstandenen Guthabenzinsen zu verrechnen.
Normenkette
§ 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 GewStG, § 355 Abs. 2 HGB, § 488 BGB
Sachverhalt
Die klagende GmbH ist Teil einer Unternehmensgruppe, deren Konzernmutter (AG) ihren Sitz im Ausland hat. Die Gesellschaften der Gruppe beteiligten sich zur Zins- und Finanzierungsoptimierung an einer Liquiditätsbündelung ihrer Konten (Cash-Pooling).
Die AG und die Klägerin hatten dazu 2007 einen Rahmenkreditvertrag geschlossen, wonach die AG der Klägerin einen Rahmenkredit gewährte, dessen Höhe auf die zum jeweiligen Zeitpunkt erforderlichen Mittel zur Durchführung der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Klägerin beschränkt war. Der Darlehenszins betrug ebenso wie der Guthabenzins 5,5 % p.a.
Die technische Abwicklung erfolgte im Wege eines automatischen Cash-Management Systems (ACMS) über mehrere ACMS-Verrechnungskonten. Die AG führte mehrere Zielkonten bei verschiedenen Kreditinstituten, die Klägerin sowie weitere Tochtergesellschaften führten Quellkonten. Der Saldo der Quellkonten wurde durch das ACMS bankarbeitstäglich auf null gestellt, indem entweder ein Guthaben auf dem Quellkonto dem Zielkonto der AG gutgeschrieben oder ein negativer Saldo durch Überweisung vom Zielkonto ausgeglichen wurde. Die Klägerin und die AG schlossen mit drei Banken Verträge über die dort errichteten Ziel- und Quellkonten ab, die in unterschiedlichen Währungen geführt wurden (EUR, USD, AUD, GBP). Die jeweilige Bank hatte arbeitstäglich die Quellkonten über das Zielkonto auszugleichen.
Die Klägerin führte in ihrer Buchhaltung für jedes Quellkonto ein gesondertes Verrechnungskonto, berechnete täglich die Zinsen und buchte diese monatlich saldiert als Aufwand oder Ertrag. In ihrem Jahresabschluss auf den 31.12.2010 saldierte die Klägerin alle Zinsaufwendungen und ‐erträge und erfasste im Ergebnis keine Zinsaufwendungen.
Nach einer Außenprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, dass eine Saldierung der Zinsaufwendungen und ‐erträge aus dem Cash-Pool gewerbesteuerrechtlich unzulässig sei, und änderte die Bescheide entsprechend.
Die Klage hatte keinen Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 14.9.2017, 6 K 243/14, Haufe-Index 11808715, EFG 2018, 1381).
Entscheidung
Die Revision führte zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache. Im zweiten Rechtsgang hat das FG die für den Umfang der möglichen Saldierung maßgeblichen Feststellungen zu treffen.
Hinweis
1. Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wird ein Viertel der Summe aus Entgelten für Schulden wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Gewinnermittlung abgesetzt worden sind und soweit die Summe der nach § 8 Nr. 1 GewStG vorzunehmenden Hinzurechnungen 100.000 EUR übersteigt (§ 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 GewStG). Abweichend von der Rechtslage vor 2008 ist es unerheblich, ob es sich um eine kurzfristige oder langfristige Verbindlichkeit (Dauerschuld) handelt und wofür ihr Gegenwert verwendet wurde.
2. Grundsätzlich ist jedes Schuldverhältnis für sich zu betrachten; mehrere Schuldverhältnisse sind nicht zusammenzufassen (Saldierungsverbot). Daher ist grundsätzlich auch eine Saldierung von Schuld- und Habenzinsen ausgeschlossen, und zwar auch dann, wenn ein Guthaben- und ein Darlehenskonto wirtschaftlich zusammenhängen und die Darlehensmittel nur zweckgebunden verwendet werden dürfen. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise tritt hinter die bürgerlich-rechtliche Gestaltung zurück.
3. Mehrere bei einem Kreditgeber unterhaltene Konten können aber nach ständiger Rechtsprechung des BFH, ebenso wie wechselseitig zwischen zwei Personen gegebene Darlehen, gewerbesteuerrechtlich als einheitliches Darlehensverhältnis beurteilt werden, wenn sie
- gleichartig sind,
- derselben Zweckbestimmung dienen und
- regelmäßig tatsächlich miteinander verrechnet werden.
4. Für Darlehensgewährungen innerhalb eines Cash-Pools verbundener Unternehmen gelten die allgemeinen Regeln. Die Kapitalströme im Cash-Pool werden in Anlehnung an das Zivilrecht als (mehrere!) Darlehensverträge qualifiziert. Es entstanden also bei der dem Urteil zugrunde liegenden Gestaltung bankarbeitstäglich wechselseitige Gelddarlehen zwischen der Klägerin und ihrer Konzernmutter, indem entweder die Klägerin für die Überweisung eines Guthabensaldos einen Darlehensrückzahlungsanspruch gegen die das Zielkonto führende AG oder die AG für den Ausgleich eines negativen Saldos einen Darlehensrückzahlungsanspruch gegen die d...