Dipl.-Finw. (FH) Holm Geiermann
2.1 Offene Gewinnausschüttung
Eine den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechende Gewinnausschüttung für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr (offene Ausschüttung) ist der Regelfall der Gewinnausschüttung. Die Standardfälle sind Dividenden aus Aktien und die i. d. R. im Rahmen der Gesellschafterversammlung beschlossene Gewinnausschüttung einer GmbH.
2.2 Vorabausschüttung
Eine Sonderform der offenen Ausschüttung ist die Vorabausschüttung. Bei einer GmbH sind Vorabausschüttungen handelsrechtlich bereits vor Ablauf des Wirtschaftsjahrs zulässig.
Hingegen darf eine AG nach § 59 Abs. 1 AktG erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs einen Abschlag auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn leisten.
2.3 Verdeckte Gewinnausschüttung
Diese Art der Gewinnausschüttung kennt nur das Steuerrecht. Wie der Begriff "verdeckt" zum Ausdruck bringt, ist die Gewinnausschüttung nicht offensichtlich erkennbar, sondern verbirgt sich im Regelfall hinter einer anderen rechtlichen Gestaltung.
Eine gesetzliche Definition der verdeckten Gewinnausschüttung ist weder in § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG noch in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG enthalten (sog. unbestimmter Rechtsbegriff). Der BFH hat die verdeckten Gewinnausschüttungen in seiner Rechtsprechung wie folgt definiert:
Eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. v. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist
- eine (bei der Kapitalgesellschaft eintretende) Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung
- die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist,
- sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirkt und
- in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht.
Zudem muss der Sachverhalt geeignet sein, beim Gesellschafter einen Beteiligungsertrag i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen. Nachfolgend einige Fallbeispiele zu verdeckten Gewinnausschüttungen:
Überhöhte Vergütungen der GmbH für Leistungen des Gesellschafters
- Ein Gesellschafter veräußert an die GmbH ein Grundstück zu einem unangemessen hohen Preis.
- Ein Gesellschafter vermietet an die GmbH Gegenstände (insbesondere Grundstücke) und erhält dafür eine unangemessen hohe Vergütung.
- Ein Gesellschafter beteiligt sich an der GmbH als stiller Gesellschafter und erhält dafür einen unangemessen hohen Gewinnanteil.
- Ein Gesellschafter erhält für seine Geschäftsführertätigkeit ein unangemessen hohes Gehalt.
- Der Gesellschafter erhält von der GmbH überhöhte Zinsen für ein der Gesellschaft gewährtes Darlehen.
- Der Gesellschafter veräußert an die Gesellschaft Waren zu einem überhöhten Preis.
Unangemessen niedrige Vergütungen für Leistungen der GmbH
- Die GmbH gewährt ihrem Gesellschafter ein Darlehen unter dem üblichen Marktzins.
- Die Gesellschaft veräußert an den Gesellschafter Wirtschaftsgüter (Grundstück, Kfz, Waren usw.) zu einem unangemessen niedrigen Preis.
Sonstige Fälle
- Die Gesellschaft tätigt ein sog. "OR-Geschäft"; die Zahlung des Kunden wird unmittelbar vom Gesellschafter vereinnahmt, ohne dass bei der GmbH eine Erfassung als betrieblicher Ertrag erfolgt.
- Eine GmbH übernimmt private Reisekosten eines Gesellschafters.
- Der Steuerberater der GmbH berät auch den Gesellschafter in dessen persönlichen Steuerangelegenheiten. Die GmbH zahlt das gesamte Honorar und zieht es als Betriebsausgaben ab.
- Ein Gesellschafter erhält von der GmbH ein Darlehen, obwohl bereits bei Darlehenshingabe mit der Uneinbringlichkeit des Darlehens gerechnet werden muss.
- Die Gesellschaft verzichtet auf Rechte, die ihr gegenüber ihrem Gesellschafter zustehen, z. B. Schadensersatzansprüche wegen Verletzung eines Wettbewerbsverbots oder sonstige arbeitsvertragliche Verpflichtungen.
- Die Gesellschaft übernimmt eine Verpflichtung des Gesellschafters gegenüber einem Dritten, z. B. eine Darlehensschuld; Bürgschaftsübernahme, ohne hierfür eine – angemessene – Gegenleistung zu erhalten.
2.4 Ausschüttungen bei optierenden Personengesellschaften
Die Option einer Personengesellschaft zur Körperschaftsbesteuerung hat auch Auswirkung auf die Besteuerung beim Gesellschafter. Durch den Wegfall der transparenten Besteuerung müssen Gewinnanteile erst besteuert werden, wenn sie "ausgeschüttet" werden.
Beim Gesellschafter führen daher insbesondere
- durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Einnahmen zu Einkünften i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (sowohl offen als auch verdeckt),
- Einnahmen, die er von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft bezieht, zu Einkünften i. S. d. § 19 EStG
- Einnahmen aus der Hingabe von Darlehen zu Einkünften i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 oder Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG und
- Einnahmen aus der Überlassung von Wirtschaftsgütern zu Einkünften i. S. d. § 21 oder § 22 EStG.
Gewinnanteile gelten erst dann als ausgeschüttet, wenn sie entnommen werden oder ihre Auszahlung verlangt werden kann. Auf die tatsächliche Entnahme oder Auszahlung kommt es mithin nicht an. Bedarf es z. B. für die Auszahlung oder Entnahme noch eines gesonderten Beschlusses, liegt regelmäßig noch keine fiktive Ausschüttung vor.