Rz. 219

Einführung

Der äußere Betriebsvergleich ermittelt die Besteuerungsgrundlagen durch Vergleich betriebsinterner Daten mit Daten anderer, gleichartiger Betriebe.[1] Die Auswahl eines geeigneten Vergleichsbetriebs erfordert neben der Gleichartigkeit (im Hinblick auf die Branche) auch eine Gleichwertigkeit (im Hinblick auf Größe, Lage, Organisation etc.) der Betriebe.[2] Je mehr sich die Betriebsstruktur etwaiger Vergleichsbetriebe unterscheidet, desto mehr muss von einer Gleichwertigkeit Abstand genommen werden. Aufgrund der Ungenauigkeit dieser Schätzungsmethode rechtfertigt eine durch äußeren Betriebsvergleich festgestellte Abweichung nur in Ausnahmefällen die Widerlegung einer formell ordnungsmäßigen Buchführung.[3] Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die finanziellen Mittel selbst zur bescheidensten Lebensführung nicht ausreichen.[4]

 

Rz. 220

Richtsatzschätzung

Eine Variante des äußeren Betriebsvergleichs stellt die Schätzung nach Richtsätzen dar. Die Richtsätze werden jährlich durch die Finanzverwaltung als sog. Richtsatzsammlung[5] veröffentlicht und umfassen Kennziffern wie Rohgewinnaufschläge auf den Wareneinsatz, Rohgewinn-, Halbreingewinn- und Reingewinnsätze für verschiedene Branchen.[6] Die Richtsätze ergeben sich im Rahmen der Betriebsprüfung aus den Betriebsergebnissen von Unternehmen kleiner und mittlerer Größe, die aufgrund ihrer steuerlich zuverlässigen Aufzeichnungen besonders ausgewählt werden, um eine möglichst exakte Abbildung eines "Normalbetriebs" zu erhalten.[7]

 

Rz. 221

 

Handelsbetrieb

Wirtschaftlicher Umsatz

./. Wareneinsatz

Handwerksbetrieb

Wirtschaftlicher Umsatz

./. Waren- und Materialeinsatz

./. Fertigungslohn
Rohgewinn I Rohgewinn II

./. allgemeine sachliche Betriebsaufwendungen

= Halbreingewinn

./. sonstige sachliche und personelle Betriebsaufwendungen

= Reingewinn

Richtsatzverprobungsmodell[8]

 

Rz. 222

Eine Schätzung nach Richtsätzen kann ein formell ordnungsmäßiges Buchführungsergebnis nicht allein widerlegen; ein Unterschreiten der Richtsatzwerte begründet jedoch Zweifel am vorgelegten Buchführungsergebnis.[9] Liegen zusätzlich konkrete Hinweise auf die sachliche Unrichtigkeit der Buchführung vor oder gesteht der Steuerpflichtige selbst Unredlichkeiten zu, kann dies eine Schätzung rechtfertigen.[10] Eine ergänzende Schätzung unter Beachtung der Richtsätze kann bei einer nicht ordnungsgemäßen Buchführung in Betracht kommen, wenn eine Nachkalkulation aufgrund fehlender Unterlagen nicht möglich ist.[11]

[1] Seer, in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 162 AO Rz. 55, Stand: 8/2021.
[2] Höft/Danelsing/Grams/Rook, Schätzung von Besteuerungsgrundlagen, 2014, S. 66.
[4] BFH, Urteil v. 24.11.1993, X R 12/89, BFH/NV 1994 S. 766; Seer, in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 158 AO Rz. 18, Stand: 8/2021.
[5] BMF, Schreiben v. 20.1.2021, IV A 8 – S 1544/19/10001-001, BStBl 2020 I S. 198 (Richtsatzsammlung 2019).
[6] Seer, in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 162 AO Rz. 56, Stand: 8/2021.
[7] Harrmann, DB 1989, S. 543.
[8] Ernst, Indirekte Methoden der steuerlichen Betriebsprüfung, 1986, S. 55; Harrmann, DB 1989, S. 543.
[9] Höft/Danelsing/Grams/Rook, Schätzung von Besteuerungsgrundlagen, 2014, S. 66.

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