Leitsatz
Bei einem selbstständig tätigen Dachdecker, der seine selbstständige Erwerbstätigkeit wegen seiner Vollzeiterwerbstätigkeit als angestellten Dachdecker in einem weit entfernten anderen Bundesland nur an den Wochenenden sowie an Urlaubstagen ausüben kann, ist bei der Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht zu berücksichtigen, dass sich positive Einkünfte mangels der Möglichkeit, größere Aufträge auszuführen, vielfach erst nach einer längeren Anlaufzeit erzielen lassen.
Sachverhalt
Der hauptberuflich als Dachdecker angestellte Kläger hatte seinen Wohnsitz in Bayern und übte ab dem Jahr 2004 daneben eine selbstständige Tätigkeit als Dachdecker überwiegend im Land Brandenburg aus. In den Jahren 2003 bis 2013 erzielte er aus der selbstständigen Tätigkeit Verluste, die vom Finanzamt mangels Gewinnerzielungsabsicht nicht anerkannt wurden. Ab 2014 erzielte er Gewinne. Die Eltern wohnten in Brandenburg. Der Kläger konnte sein Arbeitsmaterial und Werkzeug kostenlos am Wohnsitz der Eltern lagern, womit der Kläger u. a. seine vom Wohnsitz weit entfernte Tätigkeit begründete.
Entscheidung
Das Finanzgericht sah die gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung des Finanzamts gerichtete Klage als begründet an.
Nach Auffassung des Finanzgerichts müsse bei der Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht im Einzelfall anhand objektiver Umstände geschlossen werden. Bei einem nebenberuflich tätigen Dachdecker, der seine selbstständige Erwerbstätigkeit wegen seiner Vollzeiterwerbstätigkeit als angestellter Dachdecker in einem weit entfernten anderen Bundesland nur an den Wochenenden sowie an Urlaubstagen ausüben kann, sei zu berücksichtigen, dass sich positive Einkünfte mangels der Möglichkeit, größere Aufträge auszuführen, vielfach erst nach einer längeren Anlaufzeit erzielen lassen. Deshalb lasse sich allein aus der Tatsache einer über mehrere Jahre anhaltenden Verlusterzielung nicht der Schluss ziehen, es fehle an einer Gewinnerzielungsabsicht. Werde allerdings nach einer gewissen - nicht zu kurz bemessenen - Anlaufzeit festgestellt, dass die Tätigkeiten des Klägers trotz entsprechender Bemühungen zu keinen Gewinnen führen und dass unter den gegebenen Umständen keine Aussicht besteht, ein positives Gesamtergebnis aus der gewerblichen Tätigkeit zu erzielen, müsse aus der weiteren Fortsetzung der verlustbringenden Tätigkeit der Schluss gezogen werden, dass der Dachdecker fortan nicht mehr zur Gewinnerzielung, sondern nur noch aus persönlichen Gründen tätig ist. Dass er sein selbstständiges Gewerbe in Brandenburg und nicht in Bayern ausübt, habe der Kläger plausibel damit begründet, dass er wegen der Zurverfügungstellung der notwendigen Räumlichkeiten durch seine Eltern hohe Betriebsausgaben für extern anzumietende Lagerräumlichkeiten für das Arbeitsmaterial und für sein Werkzeug in Heimatnähe einspart.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.12.2016, 9 K 9193/15