Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Dem aus einer freiberuflich tätigen Personengesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafter ist der gemeinschaftlich erzielte laufende Gewinn auch dann anteilig persönlich zuzurechnen, wenn die verbleibenden Gesellschafter die Auszahlung verweigern, weil der ausgeschiedene Gesellschafter ihnen Schadenersatz in übersteigender Höhe schulde.
2. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn der Anspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters nach der Rechtsprechung des BGH der sog. Durchsetzungssperre unterliegt und deshalb nicht mehr isoliert, sondern nur noch als Abrechnungsposten im Rahmen des Rechtsstreits um den Auseinandersetzungsanspruch geltend gemacht werden kann.
Normenkette
§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 4 Abs. 3, § 11 Abs. 1, § 18 Abs. 1 EStG, § 165 Abs. 2 Satz 1 AO
Sachverhalt
Der Kläger schied im Streit aus einer GbR aus. Die ehemaligen Mitgesellschafter (die Beigeladenen) verweigern seitdem die Auszahlung des ihm zustehenden laufenden Gewinns mit der Begründung, der Kläger schulde im Gegenzug Schadenersatz in übersteigender Höhe. Darüber ist zwischen den Beteiligten ein Rechtsstreit anhängig. Nachdem das LG die auf Auszahlung des Gewinnanteils gerichtete Klage des Klägers abgewiesen hat, weil der Abfindungsanspruch nicht mehr isoliert und nicht vor Aufstellung einer Auseinandersetzungsbilanz geltend gemacht werden könne, streiten der Kläger und die Beigeladenen nun in einem weiteren zivilrechtlichen Rechtsstreit vor Gericht um den Auseinandersetzungsanspruch. Der dem Kläger zustehende laufende Gewinn ist zwischen allen Beteiligten der Höhe nach unstrittig.
Das FA rechnete dem Kläger die laufenden Gewinne zu und erließ entsprechende Gewinnfeststellungsbescheide. Die geänderten Bescheide sind gem. § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig "bis zur endgültigen Klärung der Gewinnverteilung aufgrund der derzeitigen Gerichtsverfahren". Nach Ablauf der Einspruchsfrist beantragte der Kläger, die Feststellungsbescheide mit der Maßgabe (nach § 165 AO) zu ändern, dass der ihm zuzurechnende Gewinn um die bisher nicht an ihn ausgezahlten Gewinnanteile gekürzt werde. Das FA lehnte den Antrag ab.
Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg (FG München, Urteil vom 23.1.2009, 1 K 561/04, Haufe-Index 2151411, EFG 2009, 929).
Entscheidung
Auf die Revision des FA hob der BFH die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. Der laufende Gewinn sei, soweit er dem Kläger unstreitig zustehe, diesem zuzurechnen, nicht aber, auch nicht vorübergehend, den Beigeladenen. Eine vom grundsätzlich maßgeblichen Gewinnverteilungsmaßstab (vorübergehend) abweichende persönliche steuerliche Zurechnung komme nicht schon deshalb in Betracht, weil der Schuldner die Auszahlung verweigere, und auch nicht deshalb, weil die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs nach Maßgabe der Durchsetzungssperre i.S.d. Rechtsprechung des BGH beschränkt sei.
Hinweis
1. Eine freiberufliche Sozietät ist komplizierter als eine Ehe: Man ist aufeinander angewiesen (wie in der Ehe), aber die Liebe fehlt. Diese dem Verfasser noch aus seiner Referendarstation in einer Anwaltssozietät erinnerliche Sentenz hat auch eine steuerrechtliche Dimension. Sie kommt besonders dann zum Tragen, wenn ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet und es zum Streit um die ihm zustehenden Gewinnanteile kommt.
2. Zunächst ist ein Blick auf die Zivilrechtslage geboten. Das Steuerrecht ist zwar kein Folgerecht des Zivilrechts, sondern es definiert seine eigenen Tatbestände. Das Zivilrecht prägt jedoch vorab die wirtschaftlichen Fakten, an die das Steuerrecht dann anknüpft.
Nach der Rechtsprechung des BGH führt die Auflösung einer GbR dazu, dass die Gesellschafter die ihnen gegen die gesamte Hand (und gegen die Mitgesellschafter) zustehenden Ansprüche nicht mehr selbstständig auf dem Wege der Leistungsklage durchsetzen können (Durchsetzungssperre). Diese sind vielmehr als unselbstständige Rechnungsposten in die Schlussrechnung (Auseinandersetzungsbilanz) aufzunehmen, deren Saldo dann ergibt, wer von wem noch etwas zu fordern hat. Der wesentliche rechtfertigende Grund hierfür ist, dass der Gefahr von Hin- und Herzahlungen begegnet werden soll.
3. Dies könnte zu dem Schluss verleiten, dass aufgrund der genannten zivilrechtlichen Vorgaben dem ausgeschiedenen Gesellschafter sein Gewinnanteil auch steuerrechtlich erst mit der Realisierung des Auseinandersetzungsguthabens zugerechnet werden könne. Ein solcher allein auf das Zivilrecht gegründeter Schluss wäre steuerrechtlich indes unzutreffend:
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Steuerrechtlich werden den Gesellschaftern einer Personengesellschaft, die als Mitunternehmer anzusehen sind, Gewinne und Verluste der gemeinschaftlichen Tätigkeit anteilig als originäre eigene Einkünfte zugerechnet. Die Mitunternehmer sind insoweit einem Einzelunternehmer gleichrangig. Der Mitunternehmer unterscheidet sich von diesem nur dadurch, dass er seine unternehmerische Tätigkeit nicht alleine, sondern zusammen mit anderen (Mit-)Unternehmern in gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit ausübt. Demgemäß werden die Ei... |