Geringere Formerfordernisse bei Klageanbringung bei der Behörde auch für Berater?
[Ohne Titel]
RiFG Matthias Steinhauff
Eine Frage, die – soweit ersichtlich – bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden wurde, ist die, ob die für Berater geltende verpflichtende elektronische Kommunikation (§ 52d FGO) auch für die Anbringung der Klage bei der Behörde (§ 47 Abs. 2 FGO) gilt. Der vorliegende Beitrag ordnet diese Frage in die vorhandenen Verfahrensvorschriften ein, zeigt einen Lösungsansatz auf und schließt mit einer konkreten Handlungsempfehlung.
I. Einleitung
Fälle mit Bezug zur verpflichtenden elektronischen Kommunikation (§ 52d FGO) beschäftigen momentan häufig die Gerichte. Der Umstieg auf die elektronische Kommunikation ist dabei für alle Beteiligten eine Herausforderung. Durch erste Entscheidungen des BFH gewinnt die Vorschrift immer mehr Kontur. Eine Frage, die – soweit ersichtlich – bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden wurde, aber derzeit vermehrt in der Praxis auftaucht, ist, ob die für Berater geltende verpflichtende elektronische Kommunikation (§ 52d FGO) auch für die Anbringung der Klage bei der Behörde (§ 47 Abs. 2 FGO) gilt. Auch in der Kommentarliteratur finden sich zu dieser Frage bislang allenfalls Andeutungen. Der vorliegende Beitrag ordnet diese Frage in die vorhandenen Verfahrensvorschriften ein, versucht einen Lösungsansatz aufzuzeigen und schließt mit einer konkreten Handlungsempfehlung.
II. Unterscheidung zwischen Form und Frist
Im Ausgangspunkt ist zunächst zwischen Form und Frist zu unterscheiden.
Form: Ausgangspunkt für die Form ist § 64 Abs. 1 FGO. Danach ist die Klage bei dem Gericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. § 52d FGO ergänzt und modifiziert § 64 Abs. 1 FGO (Schmieszek in Gosch, AO/FGO, § 52d FGO Rz. 6 [125. Lfg. August 2016]). Gemäß § 52d FGO sind u.a. Rechtsanwälte und Steuerberater verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ein Formverstoß führt zur Unwirksamkeit und schließt damit insb. eine Fristwahrung aus (BFH v. 28.4.2023 – XI B 101/22, BFHE 279, 523 BStBl. II 2023, 763 = AO-StB 2023, 165 (Weigel)). Die aus § 52d FGO folgende Nutzungspflicht erweist sich damit als weitere, von Amts wegen zu berücksichtigende Formvorschrift für rechtswirksame Prozesshandlungen durch sog. bestimmende Schriftsätze, da über den Wortlaut des § 52d S. 1 FGO hinaus jedenfalls über § 155 S. 1 FGO i.V.m. § 253 Abs. 4 ZPO gerade auch solche Schriftsätze angesprochen sind (BFH v. 27.4.2022 – XI B 8/22, BFH/NV 2022, 1057; Besprechung Lindwurm, AO-StB 2022, 312). § 52d FGO gilt für alle Verfahren nach der FGO (BFH v. 23.8.2022 – VIII S 3/22, BFHE 276, 566 = BStBl. II 2023, 83; Besprechung M. Steinhauff, AO-StB 2022, 345). Für die Klageschrift ist deshalb § 52d FGO zu beachten. Die Einzelheiten zur Übermittlung elektronischer Dokumente ergeben sich aus § 52a FGO. Ausgeschlossen ist damit insb. die Klageerhebung beim Finanzgericht per Telefax.
Frist: Ausgangspunkt für die Frist ist § 47 Abs. 1 FGO. Danach beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage (in Gestalt der Vornahmeklage) einen Monat. Nach § 47 Abs. 2 S. 1 FGO gilt die Frist für die Erhebung der Klage als gewahrt, wenn die Klage bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt oder die angefochtene Entscheidung erlassen oder den Beteiligten bekannt gegeben hat oder die nachträglich für den Steuerfall zuständig geworden ist, innerhalb der Frist angebracht oder zu Protokoll gegeben wird. Die Behörde hat die Klageschrift in diesem Fall unverzüglich dem Gericht zu übermitteln (§ 47 Abs. 2 S. 2 FGO).
Inwiefern die Regelungen des § 52d FGO und § 47 Abs. 2 FGO aufeinander abgestimmt sind, lässt sich dem Gesetz nicht eindeutig entnehmen. Insofern könnte man auf die Idee kommen, dass für die Anbringung der Klage bei der Behörde i.S.v. § 47 Abs. 2 FGO geringere Formerfordernisse bestehen.
III. Lösungsvorschlag
M.E. ist § 52d FGO auch im Rahmen von § 47 Abs. 2 FGO zu beachten, d.h. die Klage ist vom Berater auch bei der Anbringung bei der Behörde elektronisch einzureichen. Hierfür sind verschiedene Argumente anzuführen:
1. § 52d FGO gilt umfassend
§ 52d FGO gilt nach seinem Wortlaut und nach dem Willen des Gesetzgebers umfassend. So lässt sich dem Wortlaut des § 52d FGO keine Einschränkung dahingehend entnehmen, dass die Vorschrift nur für die Klageerhebung direkt beim Finanzgericht gelten soll. Eine Ausnahme ist im Gesetz nur in § 52d S. 3 FGO (vorübergehende technische Unmöglichkeit) geregelt. Weitere Ausnahmen sieht das Gesetz gerade nicht vor.
Außerdem wollte der Gesetzgeber mit Einführung des § 52d FGO die verpflichtende elektronische Kommunikation durch sog. "professionelle Verfahrensbeteiligte" umfassend regeln und nicht länger an einer freiwilligen Nutzung der elektronischen Kommunikation festhalten (Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, § 52d FGO Rz. 6 m.w.N. [267. Lfg. März 2022]). Eine...