Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
§ 152 Abs. 3 AO erlaubt der Finanzbehörde nur in begründeten Ausnahmefällen, von einer Festsetzung des Verspätungszuschlags mit der Steuer abzusehen.
Normenkette
§ 152 Abs. 3 AO
Sachverhalt
K sollte seine ESt-Erklärung für das Jahr 2005 bis zum 30.11.2006 einreichen, was er aber nicht tat. Das FA erinnerte K daran und drohte an, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Aufgrund der alsdann am 06.03.2007 eingereichten ESt-Erklärung kam es zu einer Nachzahlung von 14 000 EUR. Ein Verspätungszuschlag wurde nicht festgesetzt.
Später setzte das FA die ESt etwas herab; auch dieser Bescheid enthielt keine Festsetzung des Verspätungszuschlags. Erst mit Bescheid vom 02.05.2008 – nach Ablauf der "Jahresfrist" um zwei Tage – setzte das FA einen Verspätungszuschlag von 800 EUR fest. Zu diesem Zeitpunkt war schon die Erklärung für 2006 eingereicht und bearbeitet, die letztlich mit einer Erstattung von ESt endete.
Das FG akzeptierte dieses Vorgehen des FA (Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.02.2009, 12 K 249/08, Haufe-Index 2330168, EFG 2010, 1001), der BFH aber nicht, …
Entscheidung
… hob die Vorentscheidung des FG auf und gab der Klage statt.
Das FA hatte keinerlei Gründe für die vom Regelfall mit der ESt zu erfolgende Festsetzung des Verspätungszuschlags angeführt und die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens verkannt. Da etwaige Gründe nach § 102 S. 2 FGO nicht mehr nachgeholt werden können (nur Ergänzung zulässig), war die Sache spruchreif, und der BFH konnte der Klage stattgeben.
Hinweis
Die Frage, die sich dem BFH im vorliegenden Fall stellte, geht dahin, unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist, den Verspätungszuschlag nicht gleichzeitig mit der Einkommensteuer festzusetzen.
1. Das Gesetz beantwortet diese Frage ziemlich klar: Nach § 152 Abs. 3 AO ist der Verspätungszuschlag regelmäßig mit der Steuer festzusetzen, und das bedeutet: Der Verspätungszuschlag muss grundsätzlich in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem Steuerbescheid festgesetzt werden.
2. Auch wenn die Verletzung dieser Vorschrift nicht ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit der Festsetzung des Verspätungszuschlags führt ("regelmäßig"), so markiert sie ein Regel-Ausnahme-Verhältnis: Nur in Ausnahmefällen soll von der gleichzeitigen Festsetzung abgewichen werden können. Es handelt sich um eine Sollvorschrift, die den Ermessensspielraum auf eine Regelanwendung der Norm einengt. Zweck ist es, den Steuerpflichtigen möglichst nicht nachträglich durch einen Verspätungszuschlag zu überraschen. Deshalb braucht die Finanzbehörde besondere Gründe, wenn sie von einer Verbindung der beiden Bescheide absehen will.
3. Der XI. Senat des BFH hat es in Ausfüllung und Konkretisierung dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses für unschädlich gehalten, die Festsetzung des Verspätungszuschlags binnen Jahresfrist nachzuholen (BFH, Urteil vom 10.10.2001, XI R 41/00, BFH/NV 2002, 238, BFH/PR 2002, 107).
Allerdings hat die Frage, ob die Festsetzung eines Verspätungszuschlags ohne Weiteres nachgeholt werden kann, nicht allein eine zeitlichen Dimension. Entscheidend ist vielmehr, ob Gründe vorliegen, eine vom Regelfall des § 152 Abs. 3 AO abweichende Festsetzung zu rechtfertigen. Solcher Gründe für den Ausnahmefall bedarf es jedenfalls dann, wenn der Zeitrahmen von einem Jahr überschritten ist. Gründe dafür, den Verspätungszuschlag nicht mit der Steuer festzusetzen, können z.B. gegeben sein, wenn zum Zeitpunkt der Steuerfestsetzung noch ermittelt werden muss, ob die Voraussetzungen des § 152 Abs. 1 und Abs. 2 AO vorliegen, oder welche Umstände und Tatsachen in die Ermessensentscheidung einzubeziehen sind.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.04.2010 – IX R 43/09