Bedeutung der Legitimationswirkung
[Ohne Titel]
Dr. Markus Wollweber, Dipl.-Finw. (FH), RA/FASt / Ref. iur. Janik Wehmeier, LL.B.
Aufgrund der Legitimationswirkung der Gesellschafterliste gem. § 16 GmbHG gilt im Grundsatz: Nur wer in der beim Handelsregister hinterlegten Gesellschafterliste als Gesellschafter angeführt ist, darf von der Gesellschaft, den übrigen Gesellschaftern und Dritten als Gesellschafter behandelt werden. Ist die hinterlegte Liste unrichtig, kann dies nicht nur gesellschaftsrechtlich, sondern insbesondere auch ertragsteuerlich zu herausfordernden, überwiegend noch ungeklärten, gleichwohl praxisrelevanten Fragestellungen führen.
I. Einleitung
In gewisser Regelmäßigkeit sehen sich Steuerberater bei der Beratung von Kapitalgesellschaften Spannungen zwischen den Mitgesellschaftern ausgesetzt.
Eskaliert der Streit, kommt es schnell zu der Situation, dass die Geschäftsanteile eines Gesellschafters eingezogen werden. Es stellt sich dann die Frage, ob der betroffene Gesellschafter noch Gesellschafterrechte ausüben kann.
Für die GmbH kommt hier erhebliche Bedeutung der Gesellschafterliste i.S.d. § 40 Abs. 1 GmbHG zu. Aufgrund der in § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG verankerten Legitimationswirkung gilt im Verhältnis zur Gesellschaft die unwiderlegliche Vermutung, dass
- der in der Gesellschafterliste Eingetragene Gesellschafter und
- der nicht in der Gesellschafterliste Eingetragene nicht Gesellschafter
ist.
Der Beitrag gibt einen Überblick über die steuerliche Wirkungsweise der formellen Legitimationswirkung i.S.d. § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG.
II. Legitimationswirkung und Gesellschafterrechte
Die formelle Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG führt dazu, dass im Grundsatz lediglich der in der Gesellschafterliste Eingetragene seine Rechte als Gesellschafter ausüben kann.
Beraterhinweis Die formelle Legitimationswirkung greift nicht bereits mit Beschlussfassung über die Einziehung der Geschäftsanteile bzw. mit der Abtretung der Geschäftsanteile, sondern erst mit Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister.
Stellt sich im Nachgang zu einer streitigen Anteilseinziehung im Gerichtsverfahren heraus, dass die Einziehung von Geschäftsanteilen rechtswidrig war, und wurde gleichwohl bereits unmittelbar im Nachgang zur Beschlussfassung über die Einziehung eine geänderte Gesellschafterliste beim Handelsregister aufgenommen, sind die seitdem ergangenen Gesellschafterbeschlüsse (z.B. hinsichtlich des Jahresabschlusses gem. § 46 Nr. 1 GmbHG) trotzdem weiterhin wirksam und rechtmäßig – selbst, wenn der von der Einziehung betroffene Gesellschafter, der in der Zwischenzeit nicht mehr in der Liste eingetragen war, nicht zu diesen Gesellschafterversammlungen geladen wurde, demgemäß auch nicht an den Versammlungen teilgenommen und dort auch nicht abgestimmt hat.
Beraterhinweis Die aus der Eintragung resultierende Legitimationswirkung i.S.d. § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG ist von der materiellen Rechtslage entkoppelt. Der Berater sollte sich über den aktuellen Inhalt der Gesellschafterliste durch (kostenlose) Einsicht in das elektronische Handelsregister fortlaufend informieren.
III. Legitimationswirkung und Stellung als "Anteilseigner" i.S.d. § 20 Abs. 5 EStG: Wem ist die Ausschüttung zuzurechnen?
Gemäß § 20 Abs. 5 S. 1 EStG sind Gewinnausschüttungen vom Anteilseigner zu versteuern. Anteilseigner ist gem. § 20 Abs. 5 S. 2 EStG derjenige, dem nach § 39 AO die Anteile "im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind". Nach § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter "dem Eigentümer" zuzurechnen; dies gilt auch für Anteile an Kapitalgesellschaften.
1. "Spannungsverhältnis" bei Einziehung von Geschäftsanteilen
Die Einziehung von Geschäftsanteilen vollzieht sich mit der Bekanntgabe des Beschlusses über die Einziehung. Mit Vollzug der Einziehung verliert der betroffene Gesellschafter seinen Geschäftsanteil, d.h.
- aus materieller Sicht ist er damit nicht mehr "Eigentümer" i.S.d. § 39 Abs. 1 AO.
- Andererseits ist wegen der (formellen) Legitimationswirkung nur der in der Liste Eingetragene als Gesellschafter zu behandeln.
2. Ist ausgeschiedener – aber noch eingetragener – Gesellschafter wirtschaftlicher Eigentümer i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO?
Angesichts dieses Spannungsverhältnisses stellt sich steuerlich die Frage, ob der zivilrechtlich ausgeschiedene, aber gleichwohl noch in der Liste eingetragene Gesellschafter als wirtschaftlicher Eigentümer i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO anzusehen ist.
Dies setzt voraus, dass er "die tatsächliche Herrschaft" über die Geschäftsanteile in der Weise ausübt, dass er den wahren Anteilsinhaber "im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf (die Anteile) wirtschaftlich ausschließen kann". Mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung steht die Diskussion hierzu jedoch noch am Anfang.
3. Nicht abschließend entschiedene Konstellationen
Bislang ebenfalls nicht abschließend entschiedene Konstellationen ergeben sich, wenn
- nach streitiger Einziehung
- der betroffene Gesellschafter zunächst aus der Liste ausgetragen wird,
- dann – während des notariellen mehrjährigen gerichtlichen Verfahrens betreffend die Anfechtung des Einziehungsbeschlusses – Ausschüttungen beschlossen und vollz...