Auch jenseits der Ausschüttung kann eine von den materiellen Rechtsverhältnissen abweichende Legitimationswirkung der Gesellschafterliste zu steuerlichen Aufgabenstellungen führen.
1. Betriebsaufspaltung/Organschaft
Je nach Beteiligungsverhältnis können eine streitige Einziehung und die damit gegebenenfalls einhergehende, zeitnahe Einreichung einer neuen Gesellschafterliste mit den vermeintlich neuen Gesellschafterverhältnissen zur Begründung und/oder Beendigung
- einer Betriebsaufspaltung oder
- einer umsatzsteuerlichen bzw. ertragsteuerlichen Organschaft
führen.
Beispiel
Der mit 49 % beteiligte GmbH-Gesellschafter A vermietet seit vielen Jahren an die GmbH das in seinem Alleineigentum stehende Grundstück (Betriebsimmobilie).
In einer streitigen Gesellschafterversammlung im Jahr 2018 werden die Anteile des B (51 %) eingezogen. A veranlasst unmittelbar die Einreichung einer neuen Gesellschafterliste, in der nur noch A als 100%iger Alleingesellschafter ausgewiesen wird. B greift die Beschlüsse an und obsiegt im 2022 im gerichtlichen Verfahren. Ende 2022 wird wieder eine neue Gesellschafterliste eingereicht, die B als 51%igen Gesellschafter ausweist.
Es ist bislang ungeklärt, ob durch die Einreichung der Liste im Jahr 2022
- eine Betriebsaufspaltung begründet und
- gegebenenfalls auch eine umsatzsteuerliche Organschaft begründet wird.
Beendigung der Betriebsaufspaltung? Ebenso ist ungeklärt, ob im Jahr 2022, zu dem die erneut berichtigte Gesellschafterliste mit der Wiederaufnahme des B beim Handelsregister aufgenommen wird, die Betriebsaufspaltung – mit entsprechender Aufdeckung aller stillen Reserven – beendet wird.
Unseres Erachtens kann gegen die personelle Verflechtung angeführt werden, dass es sich nicht um eine dauerhafte, rechtlich gefestigte Stimmmehrheit des A handelt und er jedenfalls sein wirtschaftliches Eigentum an den Anteilen nicht dauerhaft verloren hat. Jedenfalls bestehen gute Argumente, den Prozessgewinn durch B als rückwirkendes Ereignis zu qualifizieren (§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO).
2. Grunderwerbsteuer (insbesondere § 1 Abs. 3 GrEStG)
Vergleichbare Probleme können sich auch im Bereich der Grunderwerbsteuer ergeben.
Beispiel
Wie vor. Die betroffene GmbH hielt durchgehend Eigentum an inländischem Grundbesitz.
Auch hier ist bislang ungeklärt, ob durch die Einreichung der (materiell fehlerhaften) Gesellschafterliste im Jahr 2018 bereits
Unseres Erachtens bestehen auch hier gute Argumente gegen den Steuertatbestand, da die allein auf eine unrichtige Gesellschafterliste gestützte formale Rechtsposition eines Gesellschafters zeitlich limitiert und auch wirtschaftlich durch die Entstehung von Regressansprüchen bedroht ist. Gegebenenfalls bietet sich nach Prozessgewinn durch den zu Unrecht herausgedrängten Gesellschafter die Rückabwicklung nach § 16 Abs. 1 GrEStG an.
Beraterhinweis Die strengen Voraussetzungen des § 16 Abs. 5 GrEStG sind zu beachten. Die Rückabwicklung kommt nur in Betracht, wenn die Beteiligten frist- und formgerecht den zweiwöchigen Anzeigefristen nach Maßgabe der §§ 18, 19 GrEStG nachkommen. Erfolgt dies nicht, ist eine spätere Rückabwicklung – und damit eine Vermeidung der Grunderwerbsteuer – nicht möglich. Hat der Berater hierauf nicht hingewiesen und die entsprechende Anzeige – soweit er damit beauftragt wird – nicht veranlasst, droht der Haftungsfall.