Das Insolvenzrecht dient der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung (§ 1 InsO). Im Ausgangspunkt soll jeder Gläubiger quotal in gleicher Weise befriedigt werden. Aus diesem Grund hält die InsO verschiedenen Mechanismen bereit, Verstöße gegen die Gläubigergleichbehandlung zu vermeiden oder ggf. rückabzuwickeln.
Anfechtungsrecht der §§ 129 ff. InsO: Dazu gehört insbesondere das Anfechtungsrecht der §§ 129 ff. InsO. Danach können solche Rechtshandlungen, die vor Eröffnung eines Insolvenzverfahren stattgefunden haben und die übrigen Insolvenzgläubiger benachteiligen, vom Insolvenzverwalter nach den näheren Bestimmungen des Gesetzes
- angefochten und
- damit rückabgewickelt werden.
Zusätzliche Umstände zur Begründung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes: Steht der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nicht sicher oder nicht unmittelbar bevor, bedarf es zusätzlicher Umstände, um den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz zu begründen. Zu unterscheiden ist dabei
- sowohl nach der Art der Handlung
- als nach dem betroffenen Zeitraum.
Für Zahlungen an Gesellschafter sind
in Betracht zu ziehen.
1. Vorsätzliche Benachteiligung (§ 133 InsO)
§ 133 InsO ermöglicht eine Anfechtung von Rechtshandlungen innerhalb von 10 Jahren vor Stellung des Insolvenzeröffnungsantrags. Voraussetzung ist, dass
- die Gesellschaft bzw. deren Vertreter vorsätzlich zum Nachteil der Gläubiger gehandelt hat und
- dem Anfechtungsgegner (also dem Begünstigten der Rechtshandlung) dies bekannt war.
Das Gesetz vermutet dabei die Kenntnis des Gläubigers, wenn dieser die drohende Zahlungsunfähigkeit und die tatsächliche Gläubigerbenachteiligung kannte.
Zieht der Gesellschafter ein Gesellschafterdarlehen bei sich abzeichnender Krise der Gesellschaft ab, so dürften die Tatbestandsvoraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO nicht selten vorliegen.
Eine im ordentlichen Geschäftsgang erfolgende Gewinnausschüttung dürfte die Voraussetzungen hingegen nicht erfüllen, da das Recht zur eigenen Mittelverwendung i.R.d. Gewinnbezugsrechts aus der Gesellschafterstellung folgt (zum Sonderfall des vorangegangenen Gewinnvortrags sogleich).
2. Unentgeltliche Leistung (§ 134 InsO)
Nach § 134 InsO sind unentgeltliche Leistungen des Schuldners anfechtbar, sofern sie in den letzten vier Jahren vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurden. Ein subjektiver Tatbestand, d.h. Vorsatz oder Fahrlässigkeit, ist nicht erforderlich.
Unentgeltliche Leistung: Eine Leistung ist im Zweipersonenverhältnis "unentgeltlich", wenn dem Leistenden nach den Vereinbarungen kein entsprechender Gegenwert zufließen soll. Der Umfang der Leistungspflichten richtet sich nach den zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vereinbarungen. Erfolgen Auszahlungen z.B. nur aus Scheingewinnen, können diese unentgeltliche Leistungen sein.
Gewinnausschüttungen als unentgeltliche Leistung? Vertraglich vereinbarte, von Jahresüberschüssen abhängige Gewinnausschüttungen sind dann unentgeltliche Leistungen i.S.d. § 134 InsO, wenn
- die Jahresabschlüsse fehlerhaft sind und
- tatsächlich keine Gewinne erwirtschaftet wurden.
- Weitere Voraussetzung ist hier, dass der Schuldner dies im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre erkannt hat und damit wusste.
Gleiches gilt für rechtsgrundlos bezogene Leistungen infolge gesellschaftsrechtlich unzulässiger Dividendenzahlungen.
3. Gesellschafterdarlehen (§ 135 InsO)
Gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist eine Rechtshandlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag (oder danach) anfechtbar, die zur Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO (oder gleichgestellter Forderung) geführt hat. Beachten Sie: Das Erfordernis einer Gesellschaftskrise besteht dabei nicht.
Damit kann grds. jede Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens angefochten werden, sofern es binnen Jahresfrist zur Stellung eines Eröffnungsantrags kommt.
Nach Auffassung der Rechtsprechung genügt es dafür bereits, wenn der Schuldner – das auszahlende Unternehmen – einen Gewinn durch Gewinnvortrag zunächst stehenlässt. Es handele sich dann – jedenfalls im Falle eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers – für Zwecke des Anfechtungsrechts um ein Gesellschafterdarlehen.