Mögliche Fragestellungen und allererste Antworten
[Ohne Titel]
Dr. Markus Wollweber, Dipl.-Finw. (FH), RA/FASt / Lara Weigand, wissenschaftliche Mitarbeiterin
Die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz eröffnet neue Möglichkeiten auch im Gesellschaftsrecht, wirft jedoch zugleich grundlegende rechtliche Fragen auf. Können KI-Avatare eines verstorbenen Gesellschafters Stimmrechte ausüben oder als Beirats- oder Schiedsinstanz fungieren? Dieser Beitrag beleuchtet erste rechtliche Ansätze und Grenzen des Einsatzes von KI-gestützten Avataren im Rahmen der Stimmrechtsausübung und Entscheidungsfindung.
I. Einleitung: Was kann, darf und soll KI?
Im Dokumentarfilm "Eternal You – Vom Ende der Endlichkeit" wird die Geschichte der Südkoreanerin Jang Ji Sung erzählt. Sie trauert um ihre Tochter, die im Alter von nur sieben Jahren gestorben ist. In einem virtuellen Raum begegnet die Mutter einem scheinbar lebensechten Avatar der Tochter. Die Mutter chattet über die Tastatur mit dem Avatar. Ethisch und psychologisch werfen diese technischen Möglichkeiten neue Fragen auf: Was kann, darf und soll KI?
Möglichkeiten für das GmbH-Gesellschaftsrecht? Übersetzt man diese neuen Möglichkeiten in das GmbH-Gesellschaftsrecht, begegnen uns rechtlich bislang unbeleuchtete Fragestellungen:
- Ist die Ausübung von Gesellschafterrechten durch einen KI Avatar (z.B. eines verstorbenen Gründungsgesellschafters) möglich?
- Kann der Gründungsgesellschafter in der Satzung bestimmen, dass nach seinem Tod sein KI Avatar als Beirat oder Aufsichtsrat zu implementieren ist?
- Kann die Stimmrechtsausübung aus einem bestehenden Geschäftsanteil dem eigentlichen Gesellschafter entzogen und einem solchen KI Avatar überlassen werden?
- Und wie sieht es mit Konfliktlösungsregelungen aus: Kann im Fall des Stimm-Patts in der Gesellschafterversammlung einem KI Avatar die goldene Stimme zugewiesen werden?
Nachstehender Beitrag versucht, allererste Antworten zu geben.
II. Stimmrechtsausübung durch Avatar?
Ausgangsbeispiel
In der Satzung der X-GmbH ist bestimmt, dass die Geschäftsanteile mit den Nr. 1-12.500 (50 %) nach dem Tod des derzeitig mit 50 % an der Gesellschaft beteiligten Anteilseigners A zwar auf den eingesetzten Erben E übergehen, diese Anteile aber dem E kein Stimmrecht gewähren.
Vielmehr soll das Stimmrecht dauerhaft abgespalten und von einem KI-basiert durch einen aufgrund des Persönlichkeitsprofils des derzeitigen Anteilseigners erstellten Avatar ausgeübt werden.
Variante (schuldrechtlicher Stimmbindungsvertrag)
Der Erbe erhält im Todesfall des A dessen Anteile Nr. 1-12.500 mit der hierfür gesetzlich vorgesehenen Stimmberechtigung. In einem schuldrechtlichen Stimmbindungsvertrag, der zwischen den derzeitigen beiden Gesellschaftern der GmbH und dem zukünftigen in den Anteil des A nachfolgeberechtigen Erben geschlossen wird, verpflichtet sich der Erbe aber, nach dem Tod des A das Stimmrecht für die Anteile nur noch nach Weisung des KI Avatars des verstorbenen A auszuüben, wenn und soweit die Weisung des KI Avatars nicht rechtswidrig ist.
1. Zulässigkeit der dauerhaften Abkoppelung des Stimmrechts vom Anteil?
Im Ausgangsbeispiel wären ab dem Tod des A die Geschäftsanteile aus Sicht des E stimmlos gestellt.
Die Ausgabe "stimmloser Geschäftsanteile" in einer GmbH wird von der Rechtsprechung und Literatur überwiegend bejaht.
Unklar bleibt in der Rechtsprechung, in welchem Umfang solche Anteile ausgegeben werden können.
Ungeklärt ist insbesondere, ob die Beschränkungen des § 139 AktG (Satz der stimmlosen Anteilen in Aktiengesellschaften nur bis zur Hälfte des Grundkapitals und bei Vorzugsgewinn zubilligt) auch auf die GmbH Anwendung finden sollen. Eine analoge Anwendung von § 139 AktG wird im Hinblick auf die dem Gesellschafter verbleibenden Mitgliedschaftsrechte in der Literatur jedoch allgemein abgelehnt.
2. Fehlende Rechtssubjektivität des Avatars
Trotz dieser grundsätzlich für möglich gehaltenen Ausgabe stimmloser Geschäftsanteile bleibt fraglich, ob dieses Stimmrecht anstelle eines Gesellschafters – also einer Rechtspersönlichkeit mit Rechtsfähigkeit – an einen KI Avatar übertragen werden kann – also letztlich auf einen bloßen Algorithmus einer KI-Software.
Der KI Avatar kann nicht Gesellschafter sein: Ihm fehlen die Rechtsfähigkeit und die Rechtsubjektivität, um Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Nach deutschem Recht kann nur eine natürliche oder juristische Person oder...