Als faktisches Organ kann gelten, wer als solches handelt, ohne dazu formell bestellt zu sein. Führt z. B. der Alleingesellschafter und nicht der im Handelsregister eingetragene Geschäftsführer tatsächlich die Geschäfte der GmbH, spricht man von einem faktischen Geschäftsführer. Dies ist auch dann der Fall, wenn der eingetragene Geschäftsführer ausschließlich oder überwiegend auf Weisung des Gesellschafters handelt. Kommt es zu Pflichtverletzungen, können diese dem faktischen Geschäftsführer zugerechnet werden.
"Pleitegeier & Minijobberin"
Der Geschäftsführer G muss sein Amt abgeben, weil er privat finanziell in die Krise gerät. Er muss die sog. Vermögensauskunft abgeben. Stattdessen wird eine Minijobberin M zur Geschäftsführerin bestellt. Der formell ausgeschiedene Geschäftsführer tritt jedoch weiterhin für die GmbH auf und tätigt nahezu im bisherigen Umfang die Geschäfte der GmbH. Die entsprechenden erforderlichen Unterschriften lässt G die Minijobberin leisten, er selbst führt aber wie vorher auch die Verhandlungen. Es handelt sich um einen faktischen Geschäftsführer. Der faktische Geschäftsführer lässt die Minijobberin eine Stundungsvereinbarung für einen Kunden unterzeichnen, der der GmbH einen größeren Betrag für gelieferte Waren schuldet, der aber, weil völlig unbesichert und der Kunde nicht mehr zu retten ist, in Verzug gerät und schließlich ausfällt. Die Gesellschafterversammlung möchte – auch weil der Kunde noch weiter beliefert wurde und sich der Schaden dadurch vergrößerte – nicht die Minijobberin, sondern nur den faktischen Geschäftsführer in die Haftung nehmen. Dieser haftet nach § 43 GmbHG, auch wenn er nicht formell als Geschäftsführer bestellt ist.
Tritt eine Person für eine GmbH wie ein Geschäftsführer auf, spricht man von einem faktischen Geschäftsführer. Ein solches unbefugtes Handeln hat haftungs- und strafrechtliche Folgen. Zum Beispiel: Die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen. Für die Verletzung dieser Pflicht haftet auch, wer, ohne zum Geschäftsführer bestellt zu sein, die Geschäfte der GmbH tatsächlich wie ein Geschäftsführer oder Mitgeschäftsführer führt. Dies gilt sowohl für die Haftung als auch für die Strafbarkeit. Auch der faktische Geschäftsführer kann sich wegen Insolvenzverschleppung strafbar machen.
Der Geschäftsführer handelt als faktischer Geschäftsführer, wenn er
- tatsächlich wie ein Geschäftsführer für die GmbH tätig ist,
- ihm dieses Handeln zugerechnet werden kann,
- seine Tätigkeit den anderen Gesellschaftern oder einem von ihnen bekannt ist und
- dieses von den Gesellschaftern oder Mitgeschäftsführern geduldet wird.
Die Rolle des im Handelsregister eingetragenen GmbH-Geschäftsführers kann als Strohmannstellung zu werten sein, wenn für die Geschäftspartner erkennbar ist, dass der Geschäftsführer lediglich als verlängerter Arm des Hintermannes tätig ist. Es gibt sogar Fälle, in denen der bestimmende Einfluss des Mehrheitsgesellschafters auf die Geschäftsführung als ausreichend für die Annahme eines faktischen Geschäftsführers angesehen wird. Grundsätzlich wird allerdings eine Wirkung nach außen, z. B. die Zeichnungsberechtigung für die Geschäftskonten, verlangt.
Interne Weisungen dokumentieren
Besteht in der GmbH eine faktische Geschäftsführung, hat der bestellte Geschäftsführer im Streitfall Chancen, insbesondere bei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren verschont zu werden. Zumindest wird er häufig milder bestraft, wenn er die faktische Geschäftsführung nachweist. Er ist also gut beraten, interne Weisungen genau zu dokumentieren. Bei dem faktischen Aufschwingen eines Gesellschafters oder Dritten sollte der bestellte Geschäftsführer, sofern er dies nicht verhindern kann, ggf. mit einer Amtsniederlegung reagieren.