Einführung
Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 01.12.2009 - B 12 R 4/08 R - (USK 2009- 86) entschieden, dass ein Studierender während eines dreijährigen so genannten praxisintegrierten dualen Studiums, in das neben den eigentlichen Lehrveranstaltungen Praktikumsphasen von insgesamt 72 Wochen Dauer eingebunden sind und für das durchgehend eine Praktikantenvergütung bzw. ein Stipendium gewährt wird, weder als gegen Arbeitsentgelt Beschäftigter noch als zur Berufsausbildung Beschäftigter anzusehen ist, und zwar auch nicht in den berufspraktischen Phasen.
Es hat seine Auffassung im Wesentlichen damit begründet, dass die im Rahmen eines so genannten praxisintegrierten dualen Studiengangs während der Praktikumszeiten im Kooperationsbetrieb ausgeübten Tätigkeiten sich nicht im Rahmen betrieblicher Berufsbildung vollziehen und keine Berufsausbildung darstellen. Derartige Praxisphasen werden im Rahmen und als Bestandteil einer Hochschulausbildung absolviert; sie fallen nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des Berufsbildungsgesetzes. Für sie besteht infolgedessen auch keine Versicherungspflicht wegen einer Beschäftigung zur Berufsausbildung. Solche berufspraktischen Phasen können trotz Vorliegens zweier eigenständiger Verträge (hier: Studienvertrag und Praktikantenvertrag) sozialversicherungsrechtlich nicht als abtrennbar und gesondert zu betrachtendes Rechtsverhältnis verstanden werden. Grundsätzlich unbedeutend ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Praxisphasen zeitlich einen nennenswerten Teil der Studiendauer ausmachen.
Die Entscheidung steht der bisherigen von den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vertretenen Auffassung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Teilnehmern an dualen Studiengängen (vgl. Abschnitte B 1.2.8 und B 1.3.4 des gemeinsamen Rundschreibens vom 27.07.2004 zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von beschäftigten Studenten, Praktikanten und ähnlichen Personen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung), der sich das damalige Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung im Jahre 2004 angeschlossen hat, entgegen.
Vor diesem Hintergrund haben die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung über die Auswirkungen der höchstrichterlichen Entscheidung auf die versicherungsrechtliche Beurteilung von Teilnehmern an dualen Studiengängen beraten und die Ergebnisse der Beratungen in dieser gemeinsamen Verlautbarung zusammengefasst. Dabei wird nach den verschiedenen Typen von dualen Studiengängen differenziert. Zur Abgrenzung sind auch die vorgeschriebenen Praktika im Rahmen der klassischen Hochschulausbildung in die Darstellung aufgenommen.
1 Teilnehmer an dualen Studiengängen
1.1 Allgemeines
[1] Das duale Studium verbindet die betriebliche Aus- und Weiterbildung oder bisherige Berufstätigkeit mit einem theoretischen Hochschulstudium. Duale Studiengänge beinhalten anders als herkömmliche Studiengänge neben den theoretischen Lernphasen regelmäßig einen hohen Anteil an Lernphasen in betrieblicher Praxis, der abhängig von Studiengang und Hochschule variiert. Dabei sind betriebliche Praxis und Studium sowohl organisatorisch als auch auf die Lernprozesse bezogen miteinander verzahnt. Die Verbindung von betrieblicher Praxis und Studium kann auch in einer neben dem Studium fortbestehenden Beschäftigung bestehen. Zwischen dem Studierenden und dem Kooperationsbetrieb besteht eine vertragliche Bindung, häufig in Form eines Ausbildungs-, Praktikanten- oder Arbeitsvertrages.
[2] Teilnehmer an dualen Studiengängen lassen sich ihrem Erscheinungsbild nach nicht klar und eindeutig dem Typus eines Beschäftigten oder eines Studenten zuordnen. Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist von Bedeutung, ob ein prägender oder enger innerer Zusammenhang zwischen dem Studium und der Tätigkeit beim Arbeitgeber/Kooperationsbetrieb besteht und ob - trotz des regelmäßig hohen Maßes an Praxisphasen und der vertraglichen Verbindung - die praktische Ausbildung im Wesentlichen betrieblich oder nichtbetrieblich geregelt und gelenkt wird.
[3] Duale Studiengänge werden nach verschiedenen Typen (siehe Ziffern 1.2 bis 1.5) unterschieden.
1.2 Ausbildungsintegrierte duale Studiengänge
[1] Ausbildungsintegrierte duale Studiengänge sind auf die "berufliche Erstausbildung" gerichtet. Sie verbinden das Studium mit einer betrieblichen Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf. Dabei werden die Studienphasen und die Berufsausbildung sowohl zeitlich als auch inhaltlich miteinander verzahnt. In der Regel wird also neben dem Studienabschluss mit dem Abschluss eines Ausbildungsberufs noch ein zweiter anerkannter Abschluss erworben. Daher ist bei einem ausbildungsintegrierten dualen Studiengang regelmäßig auch ein abgeschlossener Ausbildungsvertrag mit einem Betrieb Voraussetzung. Derartige Studiengänge werden in der Regel an Fachhochschulen und Berufsakademien in öffentlicher oder privater Trägerschaft angeboten.
Versicherungsrechtliche Beurteilung
[2] Teilnehmer an ausbildungsintegrierten dualen Studiengängen sind als zur Berufsausbildung Beschäftigte anzusehen. Bei diesen Personen ...