[1] Ein Krankengeldanspruch nach § 44b SGB V ist u.a. davon abhängig, dass die Begleitung der behandlungsbedürftigen Versicherten aus medizinischen Gründen erforderlich ist (§ 44b Abs. 1 Satz 1 [korr.] Nr. 1 Buchst. a SGB V). Ausweislich der Gesetzesbegründung zum "TAMG" (BT-Drucks. 19/31069, S. 199) ist dies erfüllt, wenn sich der Bedarf der Begleitung aus den Erfordernissen ergibt, die in der Person der oder des stationär behandlungsbedürftigen Versicherten begründet sind. Maßgeblich sind die aufgrund der Behinderung bestehenden besonderen Bedürfnisse der zu begleitenden Versicherten. Andere, nicht medizinische Gründe (beispielsweise eine unzureichende Personalausstattung des Krankenhauses), dürfen daher für die Beurteilung einer Notwendigkeit für die Begleitung nicht herangezogen werden.

[2] Der G-BA wurde durch § 44b Abs. 2 SGB V beauftragt, zur näheren Bestimmung des Personenkreises, der die Begleitung aus medizinischen Gründen nach § 44b Abs. 1 Satz 1 [korr.] Nr. 1 Buchst. a SGB V benötigt, Kriterien (ggf. auch in Form von Fallgruppen) in einer Richtlinie nach § 92 SGB V zu bestimmen. Dem G-BA wurde hierzu eine Frist bis zum 1.8.2022 eingeräumt. Dabei waren nach der Vorstellung des Gesetzgebers sowohl die aufgrund der Behinderung bestehenden besonderen Bedürfnisse unter Heranziehung behinderungsspezifischer Maßstäbe zu berücksichtigen, als auch dass die Abdeckung besonderer Pflegebedarfe (z.B. Grundpflege im Sinne von Waschen, Ankleiden, Anreichen von Nahrung und Flüssigkeit) keine Aufgabe der Begleitung ist, sondern vom Krankenhaus gewährleistet wird (siehe hierzu BT-Drucks. 19/31069, S. 191). Hiervon ausgenommen sind besondere Pflegebedarfe, die nach der Anlage der KHB-RL des G-BA festgestellt werden (z.B. bei Abwehr oder Verweigerung pflegerischer und anderer medizinischer Maßnahmen). Bei den medizinischen Gründen ist zu berücksichtigen, dass sich der Bedarf an Begleitung insbesondere auch aus den behinderungsbedingten Beeinträchtigungen der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit ergibt, jedoch nicht nur Menschen mit schwerer geistiger Behinderung, sondern z.B. auch Menschen ohne sprachliche Verständigungsmöglichkeiten umfassen kann.

[3] Eine medizinisch notwendige Begleitung nach § 44b SGB V liegt vor, wenn aufgrund der vorliegenden Behinderung der oder des stationär behandlungsbedürftigen Versicherten eine Begleitung während der aktuellen Krankenhausbehandlung erforderlich ist, weil

  1. ohne Begleitperson die Krankenhausbehandlung nicht durchführbar ist,
  2. ohne Begleitperson die Behandlungsziele nicht oder nicht im erforderlichen Ausmaß erreicht werden können oder deren Erreichung erheblich gefährdet wäre,
  3. die Begleitperson in das therapeutische Konzept im Krankenhaus eingebunden werden muss oder
  4. die Begleitperson in das therapeutische Konzept für die Zeit nach der Entlassung aus dem Krankenhaus einzubeziehen ist.

[4] Die Kriterien für die medizinische Notwendigkeit einer Begleitung nach § 44b SGB V ergeben sich aufgrund funktioneller und struktureller Schädigungen und/oder Beeinträchtigungen der Aktivitäten der oder des zu begleitenden Versicherten. Der G-BA hat hierzu drei Fallgruppen bestimmt, in denen eine Begleitung i.S.d. § 44b SGB V regelhaft erforderlich ist.

[5] Zu den drei Fallgruppen hat der G-BA funktionelle Schädigungen und Beeinträchtigungen (sog. Kriterien) der Aktivitäten der zu begleitenden Person definiert und aufgelistet, die sich im Krankenhaus so erheblich auswirken, dass sie für sich allein gesehen eine medizinische Notwendigkeit einer Begleitung nach § 44b Abs. 1 Satz 1 [korr.] Nr. 1 Buchst. a SGB V begründen (siehe nachfolgende Tabelle bzw. Anlage der KHB-RL). Dabei hat sich der G-BA an dem der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) zugrundeliegenden bio-psycho-sozialen Modell der WHO orientiert. Die ärztliche Feststellung muss jedoch nicht nach ICF kodiert werden, es genügt bereits, wenn die Angabe der Schädigung oder Beeinträchtigung nach dem Konzept der ICF erfolgt.

[6] Bei komplexen und kombinierten erheblichen Schädigungen und Beeinträchtigungen (im Sinne von Mehrfachbehinderung) mit ihren erheblichen Auswirkungen können bei Versicherten auch mehrere Kriterien oder Fallgruppen gleichzeitig vorliegen. Dies begründet ebenfalls die medizinische Notwendigkeit einer Begleitung nach § 44b Abs. 1 Satz 1 [korr.] Nr. 1 Buchst. a SGB V. Entsprechendes gilt auch für Schädigungen und Beeinträchtigungen, die sich in gleichem Umfang auf die Krankenhausbehandlung auswirken und in der Anlage der KHB-RL unter den Kriterien nicht ausdrücklich benannt sind. Insofern ist die Auflistung der Kriterien nicht abschließend. Nachfolgend ist die Anlage der KHB-RL mit Stand vom 18.8.2022 abgebildet:

Fallgruppe Kriterien

Fallgruppe 1

Begleitung zum Zweck der Verständigung

Erhebliche oder komplette Beeinträchtigung der Kommunikation, insbesondere im Bereich

  1. Kommunizieren, Sprechen, nonverbale Mitteilungen, Konversation und Gebrauch von Kommunikationsgeräten und -...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge