5.1 Allgemeines

[1] Nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV darf der Versicherungsträger Beitragsansprüche, zu denen unter anderem auch Ansprüche auf Säumniszuschläge gehören, ganz oder teilweise erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des Einzelfalles unbillig wäre. Unbilligkeit kann in der Sache oder in der Person begründet sein (vgl. Abschnitt 5.2). Die Vorschrift stellt eine Ausnahme zu der in § 76 Abs. 1 SGB IV normierten Verpflichtung der vollständigen und rechtzeitigen Einnahmeerhebung dar. Vor dem Hintergrund der nur treuhänderischen Funktion der Einzugsstellen gebietet der in Absatz 1 genannte Grundsatz eine enge Auslegung. Da mit dem Erlass gegenüber dem Schuldner auf bestehende Ansprüche ganz oder teilweise verzichtet wird, ist eine Ausnahme nur in den engen Grenzen des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV zulässig. Durch den Erlass erlischt der Anspruch auf die Säumniszuschläge.

[2] Ein Erlass ist grundsätzlich nur auf Antrag des Zahlungspflichtigen möglich. Er ist an keine besondere Form gebunden. Der Arbeitgeber hat das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass zu belegen und dadurch glaubhaft zu machen (§ 9 Abs. 3 BErhGs). Bei einem telefonischen Antrag sind das Antragsbegehren und die Begründung von der Einzugsstelle entsprechend zu dokumentieren. Über den Erlassantrag entscheidet die Einzugsstelle nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Entscheidung ist dem Antragsteller durch Verwaltungsakt bekanntzugeben (§ 9 Abs. 4 BErhGs).

5.2 Persönliche und sachliche Billigkeitsgründe

[1] Grundlage für den Erlass können persönliche oder sachliche Billigkeitsgründe sein.

[2] Ein Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen setzt die Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit des Betroffenen voraus.

[3] Erlassbedürftigkeit liegt vor, wenn die Erhebung des Säumniszuschlags die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Schuldners vernichten oder ernstlich gefährden würde. Erlasswürdigkeit ist gegeben, wenn der Schuldner die mangelnde Leistungsfähigkeit nicht selbst herbeigeführt oder durch sein Verhalten nicht in eindeutiger Weise gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen hat. Die Erlasswürdigkeit ist in den Fällen der vorsätzlichen Vorenthaltung der Beiträge (z.B. bei Feststellungen aus Betriebsprüfungen wegen Schwarzarbeit) grundsätzlich ausgeschlossen, da dieses rechtswidrige Verhalten einen gravierenden Verstoß gegen die Interessen der Versichertengemeinschaft darstellt. Der Schuldner verstößt bewusst gegen ein gesetzliches Verbot, um sich dadurch rechtswidrig Vorteile zu verschaffen.

[4] Sachliche Billigkeitsgründe sind solche, die sich aus dem beitragsrechtlichen Tatbestand selbst ergeben. Sachlich unbillig ist die Erhebung des Säumniszuschlags vor allem dann, wenn die Voraussetzungen für einen Erlass der Hauptschuld vorliegen.

[5] Ein Erlass von Säumniszuschlägen wegen Unbilligkeit kann insbesondere in folgenden Fällen in Betracht kommen:

a)

Unabwendbares Ereignis

[1] Ist der Zahlungspflichtige durch den Eintritt eines unabwendbaren Ereignisses an einer pünktlichen Beitragszahlung gehindert und war es ihm nicht möglich, einen Vertreter mit der Zahlung zu beauftragen, so kann die Einziehung der erhobenen Säumniszuschläge unbillig sein.

[2] Ein unabwendbares Ereignis kann z.B. eine plötzliche Erkrankung oder ein Unfall des Zahlungspflichtigen bzw. des für die Beitragszahlung Verantwortlichen, aber auch eine Naturkatastrophe oder ein Brand sein. Das unabwendbare Ereignis muss ursächlich dafür sein, dass die Zahlung nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages erfolgen konnte.

b)

Pünktlicher Beitragszahler

[1] Bei einem bisher pünktlichen Beitragszahler kann die Einziehung von Säumniszuschlägen unbillig sein, wenn dem Zahlungspflichtigen ein offenbares Versehen unterlaufen ist, die Beiträge bis zum Ablauf des Fälligkeitstages nicht zu zahlen. Als bisher pünktlicher Beitragszahler ist derjenige anzusehen, der in den letzten 12 Monaten die Beiträge nicht mehr als einmal nach Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat. Dies gilt auch in den Fällen, in denen das Beitragskonto bei der Einzugsstelle weniger als 12 Monate besteht und die Beiträge bisher bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt wurden.

[2] Säumniszuschläge, die im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV nacherhoben worden sind, sind nicht zu erlassen. Die Erhebung von Säumniszuschlägen bei Betriebsprüfungen ist darauf zurückzuführen, dass der Beitragsschuldner über einen längeren Zeitraum die geschuldeten Beiträge nicht gezahlt hat; eine Beurteilung als "bisher pünktlicher Beitragszahler" ist ausgeschlossen (vgl. Gemeinsame Verlautbarung zu Prüfungen der Rentenversicherungsträger bei Arbeitgebern vom 3.11.2010, Abschnitt 1.4.4).

c)

Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung

[1] Die Einziehung von Säumniszuschlägen ist auch dann unbillig, wenn dem Zahlungspflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Beiträge wegen Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung nicht möglich war. Da Säumniszuschläge im Fall der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zunächst nur hinsichtlich ihres Druckmittelcharakters ins Leere gehen, ist es in di...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge