[1] Nach dem Leitsatz des Nikolausbeschlusses ist es mit den Grundrechten aus Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, dem medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

[2] Durch das Bundessozialgericht wurden die vom Bundesverfassungsgericht definierten Voraussetzungen zur Inanspruchnahme von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, deren Nutzen (noch) nicht nachgewiesen wurde, konkretisiert (stellvertretend Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R -). Dementsprechend besteht ein Leistungsanspruch unter folgenden - kumulativ zu erfüllenden - Voraussetzungen:

  1. Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung bzw. eine wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung (Verlust eines nicht kompensierbaren Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion) vor. Zudem muss eine notstandsähnliche Situation vorliegen, in der nach den konkreten Umständen des Falles voraussichtlich ein tödlicher Krankheitsverlauf bzw. der Verlust eines nicht kompensierbaren Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit droht.
  2. Es steht eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung dieser Krankheit nicht zur Verfügung oder scheidet im konkreten Einzelfall aus.
  3. Es besteht eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Das heißt, dass die anzuwendende Methode im Allgemeinen wie auch bei dem konkret zu beurteilenden Versicherten überwiegend positive Wirkungen erwarten lassen muss, so dass sie voraussichtlich "mehr nützt als schadet". Zu beurteilen sind dabei die Erfolgschancen einer Methode vor Beginn der Behandlung anhand der bereits zum Antragszeitpunkt vorliegenden Erkenntnisse über den Einsatz, die Wirksamkeit, Chancen und Risiken im Sinne einer abstrakten und konkreten Chancen-/Nutzen-Abwägung.

[3] Die Vorschrift entspricht insoweit der - über die vom GKV-Spitzenverband verabschiedete Begutachtungsanleitung Außervertragliche "Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB)" (ohne Fertigarzneimittel) verbindlich geregelten - Praxis der Krankenkassen.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge