Ein vom Arbeitgeber ungewollter Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung einer Gratifikation/Sonderzahlung kann auch aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes entstehen.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es, Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen ohne sachlichen Grund schlechter zu behandeln, als die übrigen vergleichbaren Arbeitnehmer. Entscheidend ist allein, ob objektiv eine unsachliche Differenzierung vorliegt, wobei auf den Zweck der Leistung abzustellen ist. Laut dem BAG ist eine Differenzierung zulässig, "wenn sich nach dem Zweck der Leistung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, diesen Arbeitnehmern die den anderen Arbeitnehmern gewährte Leistung vorzuenthalten". Liegen solche Gründe nicht vor, kann der übergangene Arbeitnehmer verlangen, nach der allgemeinen Regelung behandelt zu werden. Grundsätzlich gilt also für die Gratifikation: Wenn der Arbeitgeber allen oder einer nach objektiven Merkmalen abzugrenzenden Gruppe von Arbeitnehmern eine Weihnachtssonderzahlung oder sonstige Gratifikation gewährt, darf er einzelne Arbeitnehmer nicht ohne sachliche Gründe von diesem Bezug ausschließen.
Sachfremde Gruppenbildung ist unzulässig
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz geht aber über die Behandlung einzelner Arbeitnehmer hinaus. Ausgeschlossen ist nicht nur die mögliche Schlechterstellung Einzelner innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Entscheidend ist die sachgerechte Bildung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen. So stellt es regelmäßig eine Verletzung dieses Grundsatzes dar, wenn der Arbeitgeber bei der Gewährung einer Gratifikation ohne weitere Begründung nach Statusgesichtspunkten (Arbeiter/Angestellte) differenziert. Die unterschiedliche Behandlung von gewerblichen und angestellten Arbeitnehmern ist jedoch möglich, wenn es sachliche Gründe dafür gibt. Es kommt auf den Zweck der Regelung an.
Gewährt ein Arbeitgeber den Angestellten eine höhere Weihnachtsgratifikation als den gewerblichen Arbeitnehmern, so liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz beispielsweise dann nicht vor, wenn er damit den Zweck verfolgt, eine Benachteiligung der Angestellten bei der Zahlung übertariflicher Zulagen auszugleichen. In diesem Fall, so das BAG, liegt ein Sachgrund für die unterschiedliche Behandlung von Arbeitern und Angestellten vor.
Das BAG hat einen Rahmentarifvertrag des Baugewerbes als wirksam angesehen, in welchem Arbeitern keine anteilige Gratifikation gewährt wird, wenn sie vor dem 30.11. des Jahres selbst kündigen, Angestellten dagegen der Anspruch bei Eigenkündigung erhalten bleibt. Der Zweck der Regelung, dem größeren Interesse der Arbeitgeber, Kündigungen von Arbeitern vor diesem Stichtag entgegenzuwirken, sei billigenswert und liegt im Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien.
Auch die neuere Rechtsprechung des BAG liegt auf dieser Linie: Eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern bei Gratifikationszahlungen kann gerechtfertigt sein, wenn hierdurch unterschiedliche Arbeitsbedingungen ausgeglichen werden sollen, die z. B. durch die Zustimmung eines Teils der Belegschaft zur Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich entstanden sind. Die Gratifikation darf dann aber nicht noch zusätzliche Zwecke verfolgen, die mit der Ungleichbehandlung nichts zu tun haben, z. B. Betriebstreue. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber – als Gegenleistung für die Vereinbarung schlechterer Arbeitsbedingungen – eine Sonderzahlung bei Erreichen bestimmter Unternehmensziele an diejenigen Mitarbeiter gewährt, die den schlechteren Arbeitsbedingungen zugestimmt haben. Insoweit handelt es sich um einen Nachteilsausgleich für den Fall, dass die Unternehmensergebnisse erreicht werden und nicht um einen zusätzlichen verbotenen Leistungszweck. Diese Ungleichbehandlung ist nur dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn der eingetretene Nachteil überkompensiert wird.
Andererseits darf durch die ungleiche Gratifikationsvergabe keine Maßregelung der Arbeitnehmer stattfinden, die zulässigerweise ihre arbeitsvertraglichen Rechte geltend gemacht haben.
So kann ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der einer für ihn nachteiligen Vertragsänderung nicht zugestimmt hat, nicht eine den anderen Arbeitnehmern gewährte Sonderzahlung vorenthalten, sofern diese Zahlung keine Kompensation darstellt (wie in den obigen Fällen). Begründet der Arbeitgeber dagegen die Besserstellung allgemein mit seiner subjektiven Einschätzung, bestimmte Arbeitnehmer seien aufgrund ihres höheren Bildungs- und Qualifikationsstands auf dem Arbeitsmarkt begehrter, genügt dies nicht. Die Gruppenbildung von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern muss auf den Betrieb zugeschnitten sein und auf nachvollziehbaren, plausiblen Gesichtspunkten beruhen. Dient die Besserstellung einer Arbeitnehmergruppe keinem objektiven, wirklichen Bedürfnis und entspricht die Gruppenbildung nicht sachlichen Kriterien, können die benachteiligten Arbeitnehme...