Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Eine erfolgreich bestandene Wissensprüfung führt nur dann zur Anerkennung einer freiberufsähnlichen Tätigkeit, wenn sie den Rückschluss auf den Kenntnisstand des Steuerpflichtigen in früheren Jahren zulässt; ob insoweit Zweifel bestehen, hat die Tatsacheninstanz unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.
Normenkette
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger hat eine Ausbildung zum Industriekaufmann. In den Jahren 1979 bis 2001 arbeitete er in mehreren weltweit tätigen Konzernen im Bereich des Controllings. Gegenstand seiner Tätigkeit waren die Neuausrichtung des Controllings, insbesondere die Weiterentwicklung der Software, sowie die Ausbildung von Mitarbeitern in diesem Bereich. Daneben war er in den Jahren 1996 bis 2000 an einer staatlichen Hochschule für Berufstätige im Studiengang Betriebswirtschaft immatrikuliert. Er reichte dort jedoch keine schriftlichen Arbeiten ein und legte auch kein Examen ab.
In der Einkommensteuererklärung für die Streitjahre erklärte der Kläger seine Einkünfte aus der Beratungstätigkeit als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Nach einer Außenprüfung ging das FA von einer gewerblichen Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren 1996 bis 2001 aus und setzte Gewerbesteuermessbeträge fest. Einspruch und Klage blieben im ersten Rechtsgang ohne Erfolg.
Der BFH hob das Urteil aus verfahrensrechtlichen Gründen auf und wies die Sache an das FG zurück. Der Kläger hat im zweiten Rechtsgang eine erfolgreiche Wissensprüfung abgelegt. Dennoch hat das FG die Klage abgewiesen (FG München, Urteil vom 26.2.2013, 12 K 2562/10). Es konnte nicht die Überzeugung gewinnen, dass dieses Wissen bereits im Streitzeitraum vorlag.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision aus den in den Praxis-Hinweisen dargelegten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Der BFH hat das FG-Urteil bestätigt. Danach erzielte der Kläger aus seiner Beratungstätigkeit gewerbliche Einkünfte gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG. Das FG konnte nicht zu der Überzeugung gelangen, dass er einen den Katalogberufen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG"ähnlichen"freien Beruf in der Form eines beratenden Betriebswirts ausübte. Der BFH war an diese Beweiswürdigung revisionsrechtlich gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).
2. Die Beweiswürdigung des FG widersprach weder den Denkgesetzen noch allgemeinen Erfahrungssätzen. Der Umstand, dass der Kläger bis zum Jahr 2000 für ein Fernstudium der Betriebswirtschaftslehreeingeschrieben war, ermöglicht keinen Rückschluss auf die vorhandenen Kenntnisse. Der Kläger hatte weder eine der erforderlichen Klausuren geschrieben noch die Abschlussprüfung abgelegt. Etwas anderes ergab sich auch nicht aus den vom Kläger vorgelegten praktischen Arbeiten.
3. Schließlich konnte auch die von dem Kläger im FG-Verfahren erfolgreich abgelegte Wissensprüfung der Klage und Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Insoweit fehlte es an Anknüpfungspunkten, dass der Kläger bereits im Streitzeitraum über dieses Wissen verfügte.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.10.2016 – VIII R 2/14