Leitsatz
1. Ist eine Apotheke, die Arzneimittel an eine gesetzliche Krankenkasse liefert, aufgrund einer Rabattgewährung an den Krankenversicherten zur Minderung der Steuerbemessungsgrundlage auf der Grundlage des EuGH-Urteils Elida Gibbs Ltd. vom 24.10.1996 - C‐317/94 (EU:C:1996:400) berechtigt?
2. Bei Bejahung: Widerspricht es den Grundsätzen der Neutralität und der Gleichbehandlung im Binnenmarkt, wenn eine Apotheke im Inland die Steuerbemessungsgrundlage mindern kann, nicht aber eine Apotheke, die aus einem anderen Mitgliedstaat an die gesetzliche Krankenkasse innergemeinschaftlich steuerfrei liefert?
Normenkette
§ 10, § 17, § 3c UStG, Art. 90, Art. 2, Art. 33, Art. 138, Art. 20 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin lieferte im Streitjahr 2013 aus den Niederlanden verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel (Arzneimittel) in das Inland. Der Warenversand erfolgte dabei durch die Klägerin zum einen an Personen mit gesetzlicher Krankenversicherung (sog. Kassenversicherte als gesetzlich krankenversicherte Personen) und zum anderen an Personen mit privater Krankenversicherung (Privatversicherte). Die Klägerin leistete in beiden Fällen als Aufwandsentschädigung bezeichnete Zahlungen für die Beantwortung von Fragen zur jeweiligen Erkrankung ("Arzneimittel-Check"). Bei der Lieferung verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Privatversicherte ging die Klägerin davon aus, dass sie Kaufverträge über die Arzneimittel mit den Privatversicherten abgeschlossen und diese daher unmittelbar beliefert habe. Sie behandelte diese Lieferungen aufgrund der Versandhandelsregelung als im Inland steuerpflichtig. Sie war zudem der Auffassung, dass die Zahlung der Aufwandsentschädigungen (Rabatte) an die Privatversicherten gemäß § 17 Abs. 1 UStG zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage für die danach im Inland steuerpflichtigen Lieferungen an die Privatversicherten geführt habe. Diese Besteuerung der Lieferungen an Privatversicherte wurde vom FA nicht beanstandet. Gleiches gilt für die Lieferung rezeptfreier Produkte an Privatversicherte und gesetzlich krankenversicherte Personen aufgrund von Kaufverträgen, die die Klägerin unmittelbar mit diesen abgeschlossen hat.
Bei Lieferungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel an gesetzlich krankenversicherte Personen rechnete die Klägerin mit den gesetzlichen Krankenkassen ab. Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlten aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Regelungen. Die Klägerin ging bei diesen Lieferungen seit 1.10.2013 davon aus, dass sich der Ort der Lieferung in den Niederlanden befinde, sie dort die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen in Anspruch nehmen könne und die gesetzlichen Krankenkassen innergemeinschaftliche Erwerbe im Inland zu versteuern haben.
Zudem ging die Klägerin bei der Lieferung verschreibungspflichtiger Arzneimittel an gesetzlich krankenversicherte Personen davon aus, dass die an diese gezahlten Aufwandsentschädigungen (Rabatte) nach § 17 Abs. 1 UStG die Bemessungsgrundlage für die an die Privatversicherten im Inland ausgeführten Lieferungen gemindert haben, und machte eine entsprechende Steuerberichtigung geltend. Dem folgten das FA und später das FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 17.2.2017, 1 K 2164/14 U, Haufe-Index 11591389, EFG 2018, 889) nicht.
Entscheidung
Der BFH hatte Zweifel an der Beantwortung der beiden in den Leitsätzen bezeichneten Fragen. Er legte diese im Wege des Vorabentscheidungsersuchens dem EuGH vor und ordnete die Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung durch den EuGH an. Beim EuGH ist die Rechtssache unter dem Aktenzeichen C-802/19, Firma Z, anhängig.
Hinweis
1. Gewährt in einer Umsatzkette A-B-C mit zwei steuerpflichtigen Lieferungen der erste Lieferer A einen Rabatt an den Empfänger der zweiten Lieferung C, ist A nach ständiger Rechtsprechung zu einer Entgeltminderung berechtigt (EuGH, Urteil vom 24.10.1996, C-317/94, Elida Gibbs Ltd., EU:C:1996:400; EuGH, Urteil vom 16.1.2014, C-300/12, Ibero Tours, EU:C:2014:8, BFH/NV 2014, 478).
2. Fraglich ist, ob dies auch gilt, wenn die zweite Lieferung nicht steuerbar ist. Hiervon geht der BFH für den Fall aus, dass eine Apotheke verschreibungspflichtige Arzneimittel an eine gesetzliche Krankenkasse liefert, die diese dann nichtsteuerbar im Rahmen des gesetzlichen Pflichtversicherungsverhältnisses an die Kassenpatienten abgibt. Ob es auch hier – trotz Fehlens einer Kette entgeltlicher Umsätze – zu einer Entgeltminderung kommt, soll auf Vorlage durch den BFH nunmehr der EuGH entscheiden.
Der BFH begründet dabei ausführlich, warum das entgeltbegründende Rechtsverhältnis, nach dem sich die Person des Leistenden und des Leistungsempfängers bestimmt, zwischen der Apotheke und der gesetzlichen Krankenkasse besteht, und weist darauf hin, dass insoweit keine Auslegungszweifel bestehen, die hierzu eine Entscheidung durch den EuGH erforderlich machen.
3. Bejaht man für die vorstehende Fallgestaltung die Entgeltminderung, stellt sich weitergehend die Frage, ob dies auch bei...