Prof. Dr. Stefan Müller, Laura Peters
1 Begriffliche Abgrenzung
1.1 Grundsätzliches
Rz. 1
Als Grund und Boden sind abgegrenzte oder abgrenzbare Teile der Erdoberfläche, der nackten Erdkruste, anzusehen. Das Wirtschaftsgut Grund und Boden wird von anderen Wirtschaftsgütern nicht nach bürgerlich-rechtlicher Beurteilung (z. B. nach den Vorschriften über die wesentlichen Bestandteile), "sondern nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten und nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bilanzierung und Gewinnermittlung" abgegrenzt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass für die Frage der Bilanzierungsfähigkeit und der selbstständigen Bewertbarkeit nicht in jedem Falle auch untersucht werden muss, ob der einzelne Teil der Erdoberfläche als "Einzelwirtschaftsgut" angesehen werden, d. h. Gegenstand des Rechtsverkehrs sein kann.
1.2 Abgrenzung zu anderen Wirtschaftsgütern
1.2.1 Einführung
Rz. 2
Selbstständige Wirtschaftsgüter, obwohl zivilrechtlich nur eine Sache, sind der (nackte) Grund und Boden (unbewegliches nicht abnutzbares Wirtschaftsgut) und das darauf stehende Gebäude (unbewegliches abnutzbares Wirtschaftsgut), gleichgültig ob Grund und Boden und Gebäude gleichzeitig oder nur der Grund und Boden erworben und darauf ein Gebäude errichtet wurde.
Rz. 3
Selbstständige Wirtschaftsgüter sind auch grundstücksgleiche Rechte wie z. B. das Erbbaurecht und das auf Grund des Erbbaurechts errichtete Gebäude.Die mit dem Grundstück verbundenen Rechte, wie z. B. Grunddienstbarkeit, Wassernutzungsrecht oder Jagdrecht, sind zivilrechtlich Bestandteile des Grundstücks, einkommensteuerrechtlich aber bei Abspaltung unter Umständen selbstständige (immaterielle) Wirtschaftsgüter.
Rz. 4
Der zum Anlagevermögen gehörende Grund und Boden ist auch bei der Gewinnermittlung aus Land- und Forstwirtschaft zu berücksichtigen. Der Grund und Boden besteht hier aus dem Mutterboden (Ackerkrume) und dem darunter befindlichen Erdreich, die zusammen ein Wirtschaftsgut bilden. Die Grasnarbe bei Weideland ist dem Wirtschaftsgut Grund und Boden zuzuordnen und bildet somit kein selbstständiges Wirtschaftsgut.
Rz. 5
In den folgenden Fällen ist jedoch vom Grund und Boden zu unterscheiden, weil selbstständige Wirtschaftsgüter vorliegen:
- Aufwuchs
- Eigenjagdrecht
- Milchquote (abgeschafft am 31.3.2015)
- Zuckerrübenlieferrecht (abgeschafft am 30.9.2017)
- Salzabbaugerechtigkeit
- entdeckter Bodenschatz (sofern er zur nachhaltigen Nutzung in den Verkehr gebracht wird)
- besondere Anlagen im Boden, z. B. Drainage, Uferschutzanlagen u. a.m.
- Brennrecht und Brauereiberechtigung
- Wassernutzungsrecht
- Feldinventar (Pflanzenbestände) und die stehende Ernte
- Obstplantagen, Spargelanlagen, Erdbeerbeete, Korbweidenkulturen und Stützmauern, Wege
- Untergrundbahnröhren
- im Erdreich geschaffene Kavernen
- Stauanlagen, Pumpenanlagen, Vorflutanlagen, Dämme u. a.m.
- Zahlungsansprüche nach dem Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)-RefG
Rz. 6
Mit der Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Klärschlammzwischenlagers entsteht weder in der Person des veräußernden Grundstückseigentümers noch in der Person des das betreffende Grundstück erwerbenden Bauantragstellers ein vom Grund und Boden verselbstständigtes Wirtschaftsgut "Auffüllrecht" mit Klärschlamm. Die Genehmigung zur Errichtung des Klärschlammzwischenlagers umfasst gleichzeitig die Nutzung des betreffenden Grund und Bodens als Zwischenlager. Die Nutzung als Zwischenlagerung von Klärschlamm hängt daher untrennbar mit dem Recht auf Errichtung der baulichen Anlage zusammen und ist keiner isolierten Betrachtung und Bewertung zugänglich. Erst die Errichtung der von der Baugenehmigung erfassten baulichen Anlage führt zur Entstehung eines weiteren, vom Grund und Boden selbstständigen Wirtschaftsguts "bauliche Anlage". Auch die kaufvertragliche Absprache über die Zusammensetzung des Kaufpreises sowie die Vereinbarung eines höheren Kaufpreises für das Grundstück wegen der von den Vertragsparteien möglicherweise angenommenen Verselbstständigung eines Wirtschaftsguts "Auffüllrecht" führt nicht zu einem anderen Ergebnis.
Rz. 7
Die gleiche Beurteilung als gesondertes Wirtschaftsgut gilt auch für die durch die Aussolung eines Salzstocks entstehenden Hohlräume, wenn sie in einem anderen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen als die im Eigentum des Landwirts verbliebene und weiterhin landwirtschaftlich genutzte Oberfläche des Grund und Bodens.
Rz. 8
Das dem Grundstück anhaftende, der Ablagerung von Abfällen unter oder auf ihrer (Erd-)Oberfläche dienende Verfüllvolumen ist ein selbstständiges, vom Grund und Boden des Grundstücks zu trennendes Wirtschaftsgut. Das Wirtschaftsgut Verfüllvolumen zur Ablagerung von Abfällen konkretisiert sich spätestens mit der Planfeststellung für die Errichtung und den Betrieb einer Deponie, die das eine Verfüllvolumen zur Ablagerung von Abfällen aufweisende Grundstück erfasst.
Die einkommensteuerrechtlich gebotene Aufteilung des bürgerlich-rechtlich einheitlichen Grundstücks zwingt als Folge des handels- und steuerrechtlichen Bilanzierungsgebot...