Leitsatz
Die Übertragung eines Anteils an einer Grundstücks-GbR, der mit einer besonderen Berechtigung an einer der Gesellschaft gehörenden Wohnungseinheit verbunden sein soll, unterliegt der GrESt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO jedenfalls dann nicht, wenn die auf Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einer bestimmten Wohnungseinheit gerichteten Vereinbarungen mangels notarieller Beurkundung nichtig sind.
Normenkette
§ 42 AO, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 GrEStG, § 311b BGB
Sachverhalt
Mit privatschriftlichem Gesellschaftsvertrag wurde die B-GbR gegründet und durch ebenfalls privatschriftliche Sondernutzungsvereinbarung (diese sollte Grundlage für die Erstellung der Teilungserklärung nach dem WEG sein) dem Gesellschaftsanteil jedes Gesellschafters ein Sondernutzungsrecht an einer oder mehreren Einheiten des noch zu erwerbenden Grundstücks zugeordnet. Nach dem Grundstückserwerb durch die GbR traten dieser u.a. die Kläger aufgrund privatschriftlicher Anteilsübernahmeverträge bei. Später setzte sich die GbR durch notariell beurkundeten Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrag dergestalt auseinander, dass den Gesellschaftern jeweils näher bezeichnete Wohnungseinheiten zugewiesen wurden. Darin sah das FA gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgänge und setzte gegen die Kläger GrESt nach der Gegenleistung fest. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, das FA habe den falschen Lebenssachverhalt besteuert (FG München, Urteil vom 20.2.2008, 4 K 4000/04, Haufe-Index 2277559). Die Kläger hätten bereits durch ihre Aufnahme in die GbR einen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO mit einer Berechtigung an einer konkreten Eigentumswohnung verbundenen Gesellschaftsanteil erworben.
Entscheidung
Der BFH hat auf die Revision das finanzgerichtliche Urteil aus den oben dargestellten Gründen aufgehoben und die Sache zwecks Nachholung der gesonderten Feststellung der Grundbesitzwerte an das FG zurückverwiesen.
Hinweis
1. Grundsätzlich löst – soweit nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt sind – ein Wechsel im Personenstand einer grundbesitzenden Personengesellschaft (z.B. durch Verschiebungen im Anteilsverhältnis durch Eintritt weiterer Gesamthänder oder den Austausch von Gesellschaftern) keine GrESt aus. Den damit eröffneten steuergünstigen Gestaltungsmöglichkeiten setzt die BFH-Rechtsprechung allerdings eine Grenze, sofern der Anteil an der Personengesellschaft mit einer besonderen Berechtigung an einem der Gesellschaft gehörenden Grundstück untrennbar verknüpft ist. Schon die Übertragung eines so ausgestalteten Gesellschaftsanteils – und nicht erst die spätere Übertragung des Grundstücks durch die Gesamthand auf den Gesellschafter – stellt sich rechtlich wie wirtschaftlich als Grundstückserwerb dar und löst damit als Gestaltungsmissbrauch gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO GrESt aus.
2. Ein solcher Gestaltungsmissbrauch liegt allerdings nur vor, wenn der Erwerb einer so ausgestalteten Beteiligung an der Personengesellschaft notariell beurkundet wurde. Die Beurkundungspflicht (§ 311b BGB) folgt aus der zivilrechtlichen Verpflichtung eines Gesellschafters zum Grundstückserwerb und der korrespondierenden Pflicht der Personengesellschaft zur Grundstücksübereignung. Fehlt die notarielle Beurkundung, sind die entsprechenden Vereinbarungen nichtig und können daher keine Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auslösen. Bei einem zivilrechtlich unwirksamen Geschäft kann auch § 42 AO nicht angewendet werden. In diesem Fall kann GrESt erst entstehen, wenn die erforderliche notarielle Beurkundung nachträglich erfolgt bzw. dem Gesellschafter das Grundstück der Gesamthand übereignet wird.
3. Wird ein der Personengesellschaft gehörendes Grundstück im Zuge deren Auflösung durch einen Auseinandersetzungsvertrag (und ggf. Teilungsvertrag nach dem WEG) auf einen Gesellschafter übertragen, handelt es sich um einen Erwerb "auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage" (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG). Bemessungsgrundlage ist daher nicht etwa die Gegenleistung (§ 8 Abs. 1, § 9 GrEStG), sondern der Grundbesitzwert. Zu beachten ist, dass nach Maßgabe des § 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG bei einem Grundstückserwerb mit noch zu errichtenden Gebäude ggf. der Grundbesitzwert auf den Zeitpunkt der Gebäudefertigstellung maßgebend ist.
Der Ansatz des Grundbesitzwerts gem. § 8 Abs. 2 GrEStG ist allerdings nach Auffassung des BFH (Vorlagebeschlüsse v. 2.3.2011, II R 64/08, BFH/NV 2009, 1540 und II R 23/10, BFH/NV 2011, 1074, BFH/PR 2011, 276) verfassungswidrig. Insoweit ergehen nach den Erlassen vom 17.6.2011 (BStBl I 2011, 575) GrESt-Bescheide sowie Feststellungsbescheide nach § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG derzeit vorläufig.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.11.2011 – II R 64/09