Leitsatz
1. Die Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft i.S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist insoweit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, als sie auf einer schenkweisen Anteilsübertragung beruht (Änderung der Rechtsprechung).
2. Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG scheidet für die nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbare Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft aus.
3. Soweit die zu einer Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG führende Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft im Rahmen einer gemischten Schenkung erfolgt, sind für den entgeltlichen Teil des Erwerbs gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer die festgestellten Grundbesitzwerte anzusetzen, soweit sie auf den entgeltlichen Teil des Erwerbs entfallen.
Normenkette
§ 1 Abs. 3 Nr. 1, § 3 Nr. 2 Satz 1, § 3 Nr. 6 Satz 1, § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG, § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG
Sachverhalt
Der Kläger erhielt 1997 von seinem Vater (V) unentgeltlich einen Teilgeschäftsanteil von 41 % des Stammkapitals an der grundbesitzenden GmbH. Im Jahr 2008 übertrug V seinen verbliebenen Geschäftsanteil von 59 % auf den Kläger, der sich gegenüber V auf dessen Lebenszeit als dauernde Last zur Zahlung von monatlich 4.000 EUR verpflichtete. Das FA setzte wegen der Anteilsvereinigung in der Hand des Klägers Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG fest. Einspruch und Klage, mit der der Kläger die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 und Nr. 6 GrEStG begehrte, hatten keinen Erfolg (FG Köln, Urteil vom 17.2.2010, 5 K 3962/08, Haufe-Index 2336422, EFG 2010, 1151).
Entscheidung
Die Revision des Klägers führte zur Zurückverweisung. Der BFH hat aus den in den Praxis-Hinweisen gegebenen Erläuterungen die Anwendbarkeit des § 3 Nr. 2 GrEStG bejaht. Das FG hat wegen der gemischten Anteilsschenkung im zweiten Rechtsgang die Höhe der Bemessungsgrundlage zu ermitteln, die sich aus dem entgeltlichen Teil der Anteilsübertragung ergibt.
Hinweis
Wird aufgrund Schenkung oder Erwerb von Todes wegen ein Anteil an einer grundstücksbesitzenden Kapitalgesellschaft erworben, konnte es bislang zur Doppelbelastung mit Erbschaft- oder Schenkungsteuer und – sofern durch die Anteilsübertragung eine Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile in der Hand des Erwerbers (§ 1 Abs. 3 GrEStG) bewirkt wurde – Grunderwerbsteuer kommen. Diese Doppelbelastungsproblematik hat der BFH nunmehr auf der Grundlage des § 3 Nr. 2 GrEStG erheblich entschärft. Dabei sind bei der Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG auf die Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG) mehrere Klippen zu überwinden:
1.§ 1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG fingieren im Hinblick auf die Grundstücke einer Kapitalgesellschaft einen Rechtsträgerwechsel. Es wird derjenige, in dessen Hand sich die Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der betreffenden Gesellschaft erworben.
Nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 2 GrEStG ("Grundstückserwerb" bzw. "Grundstücksschenkungen") käme eine Begünstigung von durch das GrEStG fingierten Grundstückserwerben nicht in Betracht. Bereits in früherer Zeit hat allerdings der BFH (Urteil vom 13.9.2006, II R 37/05, Haufe-Index 1628846, BFH/NV 2007, 157) klargestellt, dass § 3 Nr. 2 GrEStG auch vom GrEStG fingierte Grundstücksübergänge erfasst, also nicht auf isolierte freigebige Zuwendungen von Grundstücken beschränkt werden kann. Entscheidende Bedeutung kommt dabei dem Zweck des § 3 Nr. 2 GrEStG zu, die Doppelbelastung eines Vorgangs mit Grunderwerb- oder Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer zu vermeiden. Wegen dieses Gesetzeszwecks hat der BFH (Urteil vom 12.10.2006, II R 79/05, Haufe-Index 1682711, BFH/NV 2007, 605)§ 3 Nr. 2 GrEStG bereits auf (ebenfalls einen Grundstückserwerb fingierende) Erwerbe i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG angewendet, soweit die Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Personengesellschaft auf einer schenkweisen Anteilsübertragung beruht.
2. Diese Linie hat der BFH nunmehr auch auf die Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG) erweitert. Obwohl durch diesen Steuertatbestand ein Grundstückserwerb des Anteilserwerbers von der Gesellschaft fingiert und schenkungsteuerlich nur der Erwerb des Gesellschaftsanteils besteuert wird, liegt hier letztlich nur ein Lebenssachverhalt vor. Dieser ist nach der eindeutigen Zwecksetzung des § 3 Nr. 2 GrEStG grunderwerbsteuerbefreit. Die von der Finanzverwaltung bislang vertretene gegenteilige Auffassung ist damit hinfällig.
3. Dies gilt ebenso für vorhergehende schenkweise bzw. von Todes wegen erworbene Anteile, soweit diese zu einer in späterer Zeit verwirklichten Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG beigetragen haben. Dabei können zwischen dem erstmaligen Anteilserwerb i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG und der späteren Anteilsvereinigung lange Zeiträume liegen, weil § 1 Abs. 3 GrEStG – an...