Leitsatz
Ein Gewinnfeststellungsbescheid für die Tochterpersonengesellschaft einer Organgesellschaft entfaltet verfahrensrechtlich gegenüber dem Organträger nicht die Wirkung eines Grundlagenbescheids.
Normenkette
§ 173 Abs. 2, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO, § 14 KStG
Sachverhalt
Die klagende GmbH & Co. KG war als Konzernobergesellschaft Organträgerin (OT) zahlreicher Kapitalgesellschaften. Der Streitfall betraf eine Organ-GmbH (OG), die an einer oHG beteiligt war. Nach einer Außenprüfung erging für die oHG ein geänderter Gewinnfeststellungsbescheid, der für die OG einen um ca. 7,5 Mio. DM erhöhten Gewinnanteil auswies. Ein danach erlassener geänderter KSt-Bescheid für die OG führte wegen des Organschaftsverhältnisses wie zuvor zu einer Festsetzung von 0 DM.
Für die Klägerin war nach einer Außenprüfung ebenfalls ein geänderter Gewinnfeststellungsbescheid ergangen, gegen den ein Einspruch anhängig war. Nach Kenntnis von der erhöhten Gewinnfeststellung für die oHG erließ das FA im Lauf des Einspruchsverfahrens gegenüber der Klägerin einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid, in dem der höhere Gewinnanteil der OG berücksichtigt wurde.
Die nach Erlass einer Einspruchsentscheidung erhobene Klage hatte vor dem FG keinen Erfolg (FG Hamburg vom 02.03.2005, VI 320/03, Haufe-Index 1349633, EFG 2005, 1223).
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt. Der Änderungsbescheid sei rechtswidrig. Er habe wegen der sog. erhöhten Bestandkraft nach Außenprüfung nicht auf § 173 AO gestützt werden können. Weil der gegenüber der OG ergangene Gewinnfeststellungsbescheid betreffend die oHG kein Grundlagenbescheid für die OT sei, komme auch eine Änderung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO nicht in Betracht.
Hinweis
1. Das Urteil bedeutet eine Fortführung und Ausweitung der bisherigen Rechtsprechung zum Verhältnis zwischen KSt-Bescheid für die Organgesellschaft (OG) und ESt-, Gewinnfeststellungs- oder KSt-Bescheid für den Organträger (OT).
a) Mit Urteil vom 28.01.2004, I R 84/03 (BFH/PR 2004, 326) hatte der BFH bereits entschieden, dass der KSt-Bescheid für eine OG kein Grundlagenbescheid für die Ertragsbesteuerung des OT sei. Das Einkommen der OG geht kraft Gesetzes in das Einkommen des OT ein. Für die OG wird zwar ein KSt-Bescheid erlassen, der aber immer zu einer Festsetzung von 0 Euro KSt führt. Eine verfahrensrechtliche Verknüpfung zwischen diesem KSt-Bescheid und den gegenüber dem OT zu erlassenden Bescheiden gibt es nicht. Insbesondere ist der KSt-Bescheid der OG insoweit kein Grundlagenbescheid. Das hat zur Folge, dass eine Änderung des Einkommens der OG nicht über § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO zur Änderung des Bescheids für den OT führt.
Im Besprechungsfall war ein geänderter KSt-Bescheid ergangen, der aber wie der Vorgängerbescheid wegen der Zurechnung des (höheren) Einkommens bei der OT auf eine Festsetzung von Null lautete. Der KSt-Bescheid konnte nach der Rechtsprechung des BFH nicht als Grund für eine Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids für die OT-Personengesellschaft nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO herangezogen werden.
b) Als Grundlagenbescheid kam aber über die bisherige Rechtsprechung hinaus noch ein anderer Bescheid in Betracht, nämlich ein Gewinnfeststellungsbescheid für eine Tochterpersonengesellschaft der OG. Dieser ist Grundlagenbescheid für den KSt-Bescheid der OG, bei der er sich aber wegen der Zurechnung des Einkommens beim OT nicht auswirkt.
Es ließe sich deshalb vertreten, die Grundlagenwirkung auf den OT zu erstrecken. Rechtsgrundlage dafür könnte aber nur die materielle Regelung der Einkommenszurechnung in § 14 KStG sein, die der BFH ja gerade nicht für eine ausreichende verfahrensrechtliche Verknüpfung zwischen OG und OT gehalten hat. Deshalb entscheidet sich der BFH hier dafür, die Grundlagenwirkung des Bescheids für die Tochtergesellschaft der OG nicht auf den OT zu übertragen. Die Grundlagenwirkung "versandet" damit ergebnislos.
c) Das Ergebnis dieser Auslegung ist natürlich unbefriedigend, sodass abzuwarten ist, wie die Finanzverwaltung sich dazu positioniert. Die beste Lösung dürfte wohl sein, den Gesetzgeber zur Schaffung einer verfahrensrechtlichen Verknüpfung zwischen den Veranlagungen für OG und OT zu animieren.
2. Dass sich der BFH hier mit der Frage einer Änderung nach § 175 AO auseinandersetzen musste, lag daran, dass keine andere Änderungsvorschrift der AO eingriff. An sich war die Gewinnanteilserhöhung wohl für das Veranlagungs-FA der OT eine neue Tatsache i.S.d. § 173 AO. Sie konnte aber wegen der Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO nicht mehr berücksichtigt werden.
Die Änderungssperre wird schlagwortartig gerne als "erhöhte Bestandskraft" bezeichnet. Das Besprechungsurteil zeigt, dass dieses Schlagwort missverständlich ist. Denn formelle Bestandskraft war hier noch nicht eingetreten, weil der aufgrund der Außenprüfung erlassene Bescheid mit dem Einspruch angefochten war. Gleichwohl wendet der BFH die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO