Kommentar
In einem Grundsatzurteil hat der BFH unter Änderung der Rechtsprechung Folgendes entschieden (BFH, Urteil v. 17.7.2008, I R 77/06, BFH/NV 2008 S. 1941):
Die Einbringung eines Wirtschaftsguts als Sacheinlage in eine KG ist ertragsteuerlich auch dann vollumfänglich als Veräußerungsgeschäft zu besteuern, wenn nur ein Teil der Gegenleistung eine Kapitalerhöhung ist und der überschießende Betrag in eine Kapitalrücklage eingestellt wird.
Diese Beurteilung des BFH widerspricht der Auffassung der Finanzverwaltung, wonach bei Buchung auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto eine verdeckte Einlage vorliegt (BMF, Schreiben v. 26.11.2004, BStBl 2004 I S. 1190, Tz. 2b).
Eine 100 %ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist kein Teilbetrieb i. S. des § 24 Abs. 1 UmwstG, ihre Einbringung ist daher die Einbringung eines einzelnen Wirtschaftsguts, nicht die eines Teilbetriebs.
Diese Betrachtung des BFH widerspricht der Auffassung der Finanzverwaltung, wonach eine das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft einen Teilbetrieb i. S. des § 24 Abs. 1 UmwStG darstellt (BMF, Schreiben v. 25.3.1998, BStBl 1998 I S. 268, Rz. 24.03 – UmwSt-Erlass).
Die Überführung eines Einzelwirtschaftsguts aus einem inländischen Stammhaus in eine ausländische (hier: österreichische) Betriebsstätte führte in der Zeit vor Inkrafttreten des § 6 Abs. 5 EStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 selbst dann nicht zur sofortigen Gewinnrealisierung, wenn die ausländischen Betriebsstättengewinne auf Grund eines DBA von der Besteuerung im Inland freigestellt waren (Aufgabe der sog. Theorie der finalen Entnahme).
Diese Ansicht des BFH widerspricht der bis zum Veranlagungszeitraum 2006 geltenden Auffassung der Verwaltung, wonach bei der Überführung von Wirtschaftsgütern aus dem inländischen Betrieb in seine ausländische Betriebsstätte eine Entnahme vorliegt, wenn der Gewinn der ausländischen Betriebsstätte aufgrund eines DBA nicht der inländischen Besteuerung unterliegt.
Die BFH-Entscheidung ist von weittragender Bedeutung. Das BMF hat sich zur Anwendung dieses Urteils wie folgt geäußert:
Sacheinlage in KG als Veräußerungsgeschäft: Die Rechtsauffassung des BFH, wonach ein vollentgeltlicher Vorgang anzunehmen ist, wenn die Sacheinlage zum Teil auf dem Kapitalkonto und zum Teil auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto gebucht wird, ist in allen offenen Fällen anzuwenden.
Sofern die Rechtsauffassung des BFH für den Steuerpflichtigen zu einer Verschärfung gegenüber der bisher geltenden Auffassung der Verwaltung führt, kann auf Antrag die bisherige Auffassung in Tz. 2b des BMF-Schreibens v. 26.11.2004, BStBl 2004 I S. 1190, für Übertragungsvorgänge bis zum 30.6.2009 weiterhin angewendet werden. Voraussetzung ist, dass der das Wirtschaftsgut Übertragende und der Übernehmer des Wirtschaftsguts einheitlich verfahren und dass der Antragssteller damit einverstanden ist, dass die Anwendung der Übergangsregelung z. B. die Rechtsfolge des § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 EStG auslöst.
Bei Anwendung der Übergangsregelung liegt, soweit eine Gegenbuchung teilweise auch auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto erfolgt, ein unentgeltlicher Vorgang (verdeckte Einlage) vor; ein entgeltlicher Vorgang liegt insoweit vor, als die Gegenbuchung auf dem Kapitalkonto erfolgt.
100 %ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft: Die Rechtsauffassung des BFH ist im Vorgriff auf eine gesetzliche Regelung zur Wiederherstellung der bisherigen Verwaltungsauffassung zum UmwStG 1995 (also Behandlung einer 100 %igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als Teilbetrieb) sowie im zeitlichen Anwendungsbereich des SEStEG nicht anzuwenden. Bis zu dieser gesetzlichen Regelung ist eine 100 %ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als Teilbetrieb i. S. des § 24 UmwStG bzw. i. d. F. des SEStEG zu behandeln.
Aufgabe der finalen Entnahmetheorie: Die Grundsätze des BFH-Urteils sind über den entschiedenen Einzelfall nicht anzuwenden.
Der BFH hat die jahrzehntelang von Rechtsprechung und Verwaltung angewendete Theorie der finalen Entnahme ausdrücklich aufgegeben. Der Gesetzgeber geht hingegen mit der Aufnahme der gesetzlichen Entstrickungsregelungen im SEStEG von einer anderen Auslegung des Abkommensrechts als der BFH aus. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i. d. F. des SEStEG beinhaltet – Gesetzesbegründung – "eine Klarstellung zum geltenden Recht. Der bisher bestehende höchstrichterlich entwickelte und von der Finanzverwaltung angewandte Entstrickungstatbestand der Aufdeckung der stillen Reserven bei Wegfall des deutschen Besteuerungsrechts auf Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens wird nunmehr gesetzlich geregelt und in das bestehende Ertragsteuersystem eingepasst." (BT-Drs. 16/2710 S. 28).
Im Vorgriff auf mögliche gesetzliche Regelungen sind für Überführungen und Übertragungen von Wirtschaftsgütern vor Anwendung der Entstrickungsregelungen im SEStEG die Grundsätze des BFH-Urteils nicht anzuwenden. Die Entstrickungsregelungen des SEStEG (u. a. § 4 Abs...