Kommentar
1. Aufwendungen zur Instandhaltung und Instandsetzung eines der Einkunftserzielung dienenden Wohngebäudes bilden als sogenannter Erhaltungsaufwand grundsätzlich sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ( § 9 Abs. 1 Satz 1 - 2 EStG ). „Größere” Erhaltungsaufwendungen können nach Wahl des Steuerpflichtigen auf zwei bis fünf Jahre verteilt werden ( § 82b EStDV ).
2. Handelt es sich bei den Aufwendungen um Herstellungskosten des Gebäudes, sind sie grundsätzlich nur verteilt auf dessen Nutzungsdauer in Form von Absetzungen für Abnutzung (AfA) abziehbar ( § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 4 und 5 EStG ; Gebäudeabschreibung-Privatvermögen ). Herstellungskosten sind die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen (vgl. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB ).
Herstellungsaufwand kommt insbesondere in folgenden Fällen in Betracht:
- a) Instandsetzung eines so sehr abgenutzten Gebäudes, daß es unbrauchbar geworden war (Vollverschleiß).
- b) Aufwendungen für die Erweiterung eines Gebäudes, insbesondere seine Aufstockung oder einen Anbau ( Anbau/Ausbau/Umbau ).
- c) Wesentliche Verbesserung des Gebäudes über seinen ursprünglichen Zustand hinaus. Ursprünglicher Zustand ist der Zeitpunkt der Herstellung oder, wenn der Steuerpflichtige das Gebäude erworben hat, der Zeitpunkt des Erwerbs (ständige Rechtsprechung).
Eine wesentliche Verbesserung wird z. B. angenommen, wenn in zeitlicher Nähe zur Anschaffung – i.d.R. innerhalb von drei Jahren – im Verhältnis zum Kaufpreis hohe Reparatur- oder Modernisierungsaufwendungen anfallen (sogenannter anschaffungsnaher Aufwand, Modernisierungsaufwand ).
Fehlt es an einem solchen engen zeitlichen Zusammenhang, führen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen nur dann zu (nachträglichen) Herstellungskosten infolge einer wesentlichen Verbesserung ( § 255 Abs. 2 HGB ), wenn die Maßnahmen in ihrer Gesamtheit über die zeitgemäße substanzerhaltende Bestandteilserneuerung hinaus den Gebrauchswert des Hauses insgesamt deutlich erhöhen. Herstellungskosten liegen nicht allein schon deshalb vor, weil Aufwendungen , die für sich genommen als Erhaltungsaufwand zu beurteilen sind, in ungewöhnlicher Höhe zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum anfallen.
Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die nicht über die zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung hinausgehen, sind in die Beurteilung, ob der Gebrauchswert erhöht wird, nur dann einzubeziehen, wenn sie mit anderen, zu Herstellungskosten führenden Maßnahmen bautechnisch ineinandergreifen .
Eine deutliche Erhöhung des Gebrauchswerts kann in einer deutlichen Verlängerung der tatsächlichen Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes begründet sein. Ein deutlicher Anstieg der erzielbaren Miete kann nur insoweit Hinweiszeichen für einen deutlich gesteigerten Gebrauchswert sein, als er auf den zu Herstellungskosten führenden Maßnahmen beruht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 09.05.1995, IX R 116/92
Hinweise:
1. Die Steuerpflichtige hatte 1980 ein 1936 erbautes Zweifamilienhaus zur Selbstnutzung gekauft. Von den Anschaffungskosten (467.612 DM) entfielen 376.612 DM auf das Gebäude und 91.000 DM auf den Grund und Boden. 1986 und 1987 (Streitjahr) ließ sie das Gebäude grundlegend instand setzen und modernisieren.
Das Finanzamt erkannte die 1986 angefallenen Aufwendungen (154.854,93 DM) als sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand an. Die 1987 geleisteten Aufwendungen von 266.900,64 DM beurteilte es hingegen als Herstellungsaufwand und berücksichtigte hierfür lediglich AfA.
Während das Niedersächsische FG die Klage abwies, führte die Revision der Steuerpflichtigen zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
2. Das BFH-Urteil betrifft ein Problem , das der Besteuerungspraxis seit langem große Schwierigkeiten bereitet. Die bisherige Rechtsprechung hatte es mit der Formel in den Griff zu bekommen versucht, daß Aufwendungen für Baumaßnahmen, die für sich betrachtet als Erhaltungs- und Herstellungsaufwand bewertet werden könnten, insgesamt als Herstellungsaufwand zu beurteilen sind, wenn sie im engen sachlichem, räumlichem und zeitlichem Zusammenhang stehen. Das bejaht der IX. Senat jetzt im Anschluß an ein altes Urteil v. 9. 3. 1962 (I 192/61 U, BStBl III S. 195) nur noch dann, wenn die einzelnen Baumaßnahmen bautechnisch ineinandergreifen . Eine Aufteilung sei geboten, wenn die Arbeiten lediglich gleichzeitig vorgenommen worden seien. Der bisher von der Rechtsprechung in solchen Fällen verwandte Begriff der Generalüberholung solle, da unscharf, nicht mehr verwandt werden.
Die jetzige BFH-Entscheidung ist ersichtlich von dem Bestreben getragen, dem Interesse der Steuerbürger an einer grundlegenden Modernisierung ihrer Gebäude keine steuerlichen Hindernisse in den Weg zu lege...