Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Ein Grundsteuererlass ist nur zu gewähren, soweit eine Ertragsminderung um mehr als 50 % (erste Billigkeitsstufe) bzw. um 100 % (zweite Billigkeitsstufe) zu bejahen und diese vom Grundstückseigentümer nicht zu vertreten ist. Der Begriff des "Vertretenmüssens" ist dabei weit auszulegen. Er greift weiter als eine bloße Vermeidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit den zur Ertragsminderung führenden Ursachen.
Dass ein fahrlässiges oder gar vorsätzliches Verhalten, das eine Ertragsminderung verursacht hat, nicht zum Erlass der ohnehin allein auf den Wert des Grundbesitzes gelegten und damit ertrags- und verhaltensunabhängigen Objektsteuer führen kann, versteht sich von selbst. An das "Nichtvertreten" i. S. der §§ 33, 34 GrStG sind daher höhere Anforderungen zu stellen als die bloße Vermeidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit den zur Ertragsminderung führenden Ursachen. Ausgehend davon, dass es sich bei den §§ 33 Abs. 1 Satz 1 – 2, 34 Abs. 1 Satz 1 – 2 GrStG um Billigkeitsregelungen handelt, bietet es sich an, den Begriff des "Vertreten müssens" stets auch vor dem Hintergrund der Frage auszulegen, ob es aufgrund des vorangegangenen Verhaltens des Steuerpflichtigen schlechthin unbillig wäre, die geltend gemachten ertragsmindernden Umstände bei der Grundsteuerbelastung unberücksichtigt zu lassen.
Es ist bei der Auslegung der Vorschriften zu berücksichtigen, dass es sich um Ausnahmevorschriften handelt, die mit Rücksicht auf die Eigenart der Grundsteuer als grundsätzlich ertragsunabhängige Objektsteuer eng auszulegen sind.
Der Steuerpflichtige hat die Reinertragsminderung eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft oder die Rohertragsminderung eines bebauten Grundstücks nach Auffassung der Verwaltung nicht zu vertreten, wenn die Umstände, die zu einer Minderung des Rohertrags führen, zwingend von außen in die Ertragslage des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft oder des bebauten Grundstücks eingegriffen haben und der Steuerpflichtige auf ihren Eintritt oder Nichteintritt keinen Einfluss hat. Das sind Umstände, die unabhängig von seinem Willen eintreten. Hierzu gehören bei einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, insbesondere Naturereignisse, wie Hagel Dürre, Hochwasser, Frostperioden und Waldbrände und andere nicht abwendbare Ereignisse ähnlicher Art. Der Schadensausgleich durch staatliche Zuschüsse oder Versicherungsleistungen ist zu berücksichtigen und kann keine Unbilligkeit begründen.
Wird der Betriebsinhaber aufgrund von Strukturkrisen, Viehseuchen usw. zu Betriebseinschränkungen oder Stilllegungen gezwungen, hat er dies nicht zu vertreten. Nach einer gewissen Zeit sollte insoweit jedoch eine Umstellung oder Anpassung eingefordert werden können.
Dagegen hat er für Umstände einzustehen, die er selbst aufgrund freier Willensentscheidung herbeigeführt oder nicht beseitigt hat, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre. Die Nichtbewirtschaftung von Flächen, z. B. wegen Erkrankung des Landwirts, hat der Steuerpflichtige zu vertreten. Sie ist daher kein Erlassgrund.
Bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft ist weitere Voraussetzung für den Erlass, dass die Einziehung der Steuer nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebs unbillig wäre. Das ist z. B. der Fall bei mangelnder Kreditfähigkeit oder Betriebsverlusten. Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betriebs ist regelmäßig auf das Betriebsergebnis nach den ertragsteuerlichen Vorschriften abzustellen. Dies wird durch § 33 Abs. 2 Satz 2 GrStG bestätigt, wonach ein Erlass nach § 33 Abs. 1 GrStG insbesondere in den Fällen ausgeschlossen ist, in denen für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft für dasjenige Wirtschaftsjahr ein Gewinn ermittelt wurde, das im Erlasszeitraum bei der Ermittlung des tatsächlichen Reinertrags i. S. des § 33 Abs. 1 GrStG zugrunde zu legen ist. Ist das Betriebsergebnis nach den ertragsteuerrechtlichen Vorschriften im Erlasszeitraum negativ und würde der Betrieb infolge der Zahlung der Grundsteuer in Liquiditätsschwierigkeiten geraten, insbesondere weil die Grundsteuer nicht aus dem vorhandenen Betriebsvermögen oder durch Kreditaufnahme entrichtet werden kann, wäre die Entrichtung der Grundsteuer als unbillig anzusehen.
Verhältnisse im Erlasszeitraum maßgebend
Wie sich aus § 35 Abs. 1 Satz 2 GrStG ergibt, ist ausschließlich und allein auf das Verhalten des/der Steuerpflichtigen während des Erlasszeitraums abzustellen. Es ist daher insbesondere unbeachtlich,
- dass der Steuerpflichtige bei seiner Investitionsentscheidung (Neubau/Umbau eines zu vermietenden Gebäudes) die Marktlage an zu vermietenden Objekten bzw. Flächen falsch eingeschätzt hat, wenn die Fertigstellung des Gebäudes vor dem Erlasszeitraum erfolgte,
- wenn der Steuerpflichtige seinem Mieter im Vorjahr gekündigt hatte.
Die Steuerpflicht – und damit kein Grundsteuererlass – ist demjenigen zumutbar, der sich während des Erlasszeitraums aufgrund eigenen Willensentschlusses dagegen entsch...