Leitsatz
1. Eine Ertragsminderung, die das nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG erforderliche Ausmaß erreicht, führt auch dann zu einem Grundsteuererlass, wenn sie strukturell bedingt und nicht nur vorübergehender Natur ist.
2. Bei bebauten Grundstücken i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG ist für die Berechnung der Ertragsminderung zunächst danach zu unterscheiden, ob die von der Ertragsminderung betroffenen Räume/Raumeinheiten zu Beginn des Erlasszeitraums leer standen oder – wenn auch verbilligt – vermietet waren.
3. Bei zu diesem Zeitpunkt leer stehenden Räumen bildet die übliche Miete die Bezugsgröße, an der die Ertragsminderung zu messen ist. Bei den vermieteten Räumen bildet die vereinbarte Miete diese Bezugsgröße, solange die Miete nicht um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweicht.
4. Ist die Ertragsminderung durch einen Leerstand bedingt, hat sie der Steuerpflichtige nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat.
Normenkette
§ 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG, § 79 Abs. 1 und 2 BewG
Sachverhalt
In dem 1994 errichteten Bürogebäude der Klägerin stand ein Teil der Räume leer; ein anderer Teil konnte nur erheblich unter der üblichen Miete vermietet werden. Die Räume, die vom Leerstand oder der verbilligten Miete betroffen waren, wechselten.
Die Klägerin beantragte für 1998 einen GrSt-Erlass nach § 33 Abs. 1 Sätze 1 und 3 Nr. 2 GrStG i.V.m § 79 Abs. 1 und 2 BewG. Die Berechnung der Ertragsminderung hatte sie für sämtliche Räume anhand der üblichen Miete vorgenommen.
Das FA und FG lehnten den Erlass ab.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Hinweis
1. Mit der vorliegenden Entscheidung hat das Verfahren II R 5/05 seinen Abschluss gefunden, in dem mit Beschluss vom 13.09.2006 (BFH-PR 2007, 33) das BMF zum Beitritt aufgefordert und mit Beschluss vom 27.02.2007 (BFH-PR 2007, 273) der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes angerufen worden war. Nachdem die Anrufung des Gemeinsamen Senats damit geendet hatte, dass das BVerwG seine Rechtsprechung, wonach ein GrSt-Erlass nur bei atypischen und vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht komme, aufgegeben hat (Beschluss des BVerwG vom 24.04.2007, BVerwG GmS-OGB 1.07, HFR 2007, 705), war für den BFH der Weg frei, so zu entscheiden, wie er es in dem Beschluss über die Beitrittsaufforderung vorgezeichnet hatte.
a) Aus gegebenem Anlass hat der BFH gleich zu Beginn der Revisionsentscheidung klargestellt, dass mit der Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG alle Differenzierungen nach typischen oder atypischen, nach strukturell oder nicht strukturell bedingten, nach vorübergehenden oder nicht vorübergehenden Ertragsminderungen und nach den verschiedenen Möglichkeiten, diese Merkmale zu kombinieren, hinfällig sind. Die Aufgabe der Rechtsprechung des BVerwG bedeutet ein Zurück zu dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, der keinen Anknüpfungspunkt für derartige Differenzierungen bietet. Darüber hinaus hat der BFH jeglichen "Sphärenbetrachtungen" über Bauherrenrisiko und – von dem Sonderfall des § 33 Abs. 2 GrStG abgesehen – über Unternehmerrisiko eine Absage erteilt. Auch davon findet sich im Gesetz nichts. Schließlich hat er auch den Gedanken verworfen, ausbleibende Erträge während einer Anlaufphase seien nicht zu berücksichtigen.
b) Die vorliegende Entscheidung geht sodann für im Ertragswertverfahren bewertete bebaute Grundstücke auf die Berechnung einer berücksichtigungsfähigen Ertragsminderung ein. Sie ist jeweils auf ein Kalenderjahr – den sogenannten Erlasszeitraum – zu beziehen. Dabei sind zunächst die Verhältnisse zu Beginn des Erlasszeitraums festzuhalten, und zwar unterteilt danach, welche Räume zu diesem Zeitpunkt leer standen und welche vermietet waren. Danach bestimmen sich die Bezugsgrößen, die für alle Räumlichkeiten der aufstehenden Gebäude in einer Summe zusammenzufassen sind. Dieser Summe ist der tatsächlich erzielte Rohertrag aus allen aufstehenden Gebäuden gegenüberzustellen. Nur dann, wenn dieser Rohertrag hinter der Summe der Bezugsgrößen um mehr als 20 % zurückbleibt, kommt ein Erlass überhaupt in Betracht, und zwar i.H.v. 4/5 des Prozentsatzes der Minderung.
Bei den zu Beginn des Erlasszeitraums vermieteten Räumen ist die tatsächlich vereinbarte Miete die maßgebliche Bezugsgröße. Dabei bleibt es auch dann, wenn der Mieter während des Erlasszeitraums auszieht und nicht sofort ein oder überhaupt kein Nachmieter gefunden wird. Bei zu Beginn leer stehenden Räumen ist die übliche Miete die Bezugsgröße, und zwar auch für den Fall, dass die Räume während des Erlasszeitraums vermietet werden können. Übliche Miete ist dabei die Miete, die für die Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Sollte bei den zu Beginn vermieteten Räumen die vereinbarte Miete um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichen, gilt auch für diese Räume die übliche Miete als Bezugsgröße.
Ein Anspruch auf GrSt-Erlass b...