Leitsatz
Bei einem Praxis-Consultant, der ärztliche Praxen in betriebswirtschaftlichen Fragen berät, betreut und unterstützt, kann das häusliche Arbeitszimmer auch dann den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bilden, wenn er einen nicht unerheblichen Teil seiner Arbeitszeit im Außendienst verbringt.
Normenkette
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG
Sachverhalt
Der Kläger, dem bei seinem Arbeitgeber kein Arbeitsplatz zur Verfügung steht, ist als Praxis-Consultant (Ärzte-Berater) tätig. Er berät, betreut und unterstützt ärztliche Praxen in betriebswirtschaftlichen Fragen. Den überwiegenden Teil seiner Arbeiten erledigt der Kläger in seinem Arbeitszimmer. Etwa 42 % seiner Gesamtarbeitszeit entfallen auf die Außendiensttätigkeit. Von den geltend gemachten Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer anerkannte das FA nur einen Betrag i.H.v. 2.400 DM.
Das FG gab der Klage statt und ließ den vollen Werbungskostenabzug zu. Der Kläger habe seinen Betätigungsmittelpunkt zu Hause. Nach den notwendigen Vorgesprächen und den betriebswirtschaftlichen Bestandsaufnahmen beim Kunden habe der Kläger die erforderlichen Analysen und betriebswirtschaftlichen Auswertungen im häuslichen Arbeitszimmer durchgeführt.
Entscheidung
Die Entscheidung Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Sie stimme mit den in den Praxis-Hinweisen angeführten Grundsatzentscheidungen des BFH überein.
Hinweis
1. In seinen Grundsatzentscheidungen vom 13.11.2002, VI R 28/02, BFH-PR 2003, 215; VI R 104/01, BFH-PR 2003, 217; VI R 82/01, BFH-PR 2003, 217 hat der VI. Senat des BFH entschieden, dass der Betätigungsmittelpunkt eines Steuerpflichtigen dort liegt, wo er die wesentlichen und prägenden Handlungen und Leistungen erbringt. Auf die bezeichneten Besprechungen wird hingewiesen. Der Auffassung, den Betätigungsmittelpunkt danach zu bestimmen, wo ein Steuerpflichtiger den qualitativ anspruchsvolleren Teil seiner Arbeitsleistung (Kernbereich der Betätigung) erbringt, hat sich der IV. Senat angeschlossen (BFH, Urteil vom 23.1.2003, IV R 71/00, BFH-PR 2003, 266). Entgegen der Auffassung der Verwaltung schließt der Umstand einer dauerhaften Außendiensttätigkeit allein den unbegrenzten Abzug der Kosten des häuslichen Arbeitszimmers nicht aus.
2. Die Besprechungsentscheidung gewinnt ihre Bedeutung auch dadurch, dass die Unterschiede zu dem o.a. Urteil in BFH-PR 2003, 217 herausgearbeitet wurden. Der BFH betont, dass im letztgenannten Urteil die Klägerin (Pharmavertreterin – Produkt- und Fachberaterin für medizinisch-technische Produkte) ihre den Beruf prägenden Tätigkeiten im Außendienst verrichtet hatte. Dies war im Streitfall jedoch anders. Der BFH weist ausdrücklich darauf hin, dass die unterschiedlichen Ergebnisse aus den verschiedenen tatsächlichen Feststellungen der beiden Instanzgerichte folgen. An tatsächliche Feststellungen ist der BFH als Revisionsgericht aber grundsätzlich gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).
3. Die Ausführungen des BFH zeigen deutlich, dass ein Steuerpflichtiger, der den vollen Werbungskostenabzug begehrt, gut beraten ist, seine berufliche Gesamttätigkeit detailliert und umfassend darzustellen, insbesondere welche Arbeiten (mit welcher Bedeutung und welchem Gewicht) von ihm im Arbeitszimmer erledigt werden. Nur unter dieser Voraussetzung besteht die Gewähr, dass der dort ausgeführte wesentliche (prägende) Tätigkeitsbereich des Steuerpflichtigen in der erforderlichen Gesamtbewertung durch das FG hinreichend zum Tragen kommt. Beachten Sie, dass vor dem BFH häufig nicht mehr nachgeholt werden kann, was vor dem FG im Tatsächlichen versäumt wird.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.4.2003, VI R 78/02