Leitsatz
Bei der Haftung gemäß § 13c UStG ist von einer Vereinnahmung durch den Zessionar auszugehen, wenn der Zedent über sein beim Zessionar debitorisch geführtes Konto, auf dem die abgetretenen Beträge vereinnahmt werden, nicht mehr frei verfügen kann, da eine erhebliche Überschreitung der vereinbarten Kreditlinie vorliegt und der Zessionar Belastungsbuchungen regelmäßig nicht durchführt.
Normenkette
§ 13c UStG, Art. 205 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Eine GmbH hatte nach ihren Voranmeldungen, USt i.H.v. 7.666,60 EUR für den Voranmeldungszeitraum Juli 2007 und i.H.v. 27.060 EUR für den Voranmeldungszeitraum August 2007 zu entrichten. Die GmbH unterhielt mehrere Konten bei der Klägerin, einer Bank, der sie zudem Forderungen aus steuerpflichtigen Umsatzgeschäften abgetreten hatte. Das von der GmbH bei der Klägerin unterhaltene Hauptkonto wies bei einer Kreditlinie von 100.000 EUR am 29.6.2007 einen Kontostand i.H.v. ./. 179.176,89 EUR auf. Lastschriften auf das Hauptkonto wurden im Zeitraum Juli und August 2007 regelmäßig zurückgebucht. Transferüberweisungen auf ein anderes bei der Klägerin unterhaltenes Konto wurden demgegenüber ausgeführt. Forderungen aus den im Juli 2007 ausgeführten Umsätzen wurden auf dem Hauptkonto i.H.v. 100.789,06 EUR vereinnahmt. Forderungen aus den im August 2007 ausgeführten Umsätzen wurden i.H.v. 55.056,97 EUR auf diesem Konto vereinnahmt. Am 20.2.2008 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
Das FA meldete USt Juli 2007 i.H.v. 7.666,60 EUR und USt August 2007 i.H.v. 27.060 EUR als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle an. Das FA nahm die Klägerin mit Haftungsbescheid vom 25.11.2008 gemäß § 13c UStG für USt Juli 2007 i.H.v. 7.666,60 EUR und USt August 2007 i.H.v. 8.790,61 EUR als Haftende in Anspruch. In der Anlage 1 führte das FA zur Haftung Juli 2007 neun abgetretene Forderungen über im Juli 2007 ausgeführte Lieferungen auf, bei der Haftungsschuld für August 2007 handelte es sich um vier Forderungen für im August 2007 ausgeführte Lieferungen. Einspruch und Klage zum FG (FG Münster, Urteil vom 23.4.2020, 5 K 2400/17 U, Haufe-Index 13897369, EFG 2020, 946) hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH bestätigte im Ergebnis die Entscheidung der Vorinstanz.
Hinweis
1. Die Haftung aufgrund einer Forderungsabtretung nach § 13c UStG setzt eine Forderungsvereinnahmung durch den Abtretungsempfänger (Zessionar) voraus.
2. Der BFH legt den Begriff der Vereinnahmung i.S.v. § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG wie bei der Steuerentstehung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 und Buchst. b UStG aus. Danach muss der Abtretungsempfänger eine Zahlung aus der abgetretenen Forderung erhalten, was auch im Rahmen einer sog. stillen Zession durch Gutschrift auf einem Konto, das der Zedent beim Zessionar unterhält, erfolgen kann. Maßgeblich ist, dass über die Gegenleistung (als den zu vereinnahmenden Betrag) wirtschaftlich verfügt werden kann.
Nach diesem Kriterium der wirtschaftlichen Verfügungsmacht kommt es bei einer Überweisung auf ein beim Zessionar debitorisch geführtes Konto des Zedenten für die Vereinnahmung i.S.v. § 13c UStG darauf an, ob der Zedent über dieses Konto bei der Gutschrift hinsichtlich des Überweisungsbetrags in der Weise verfügungsberechtigt ist, dass er den Betrag der Gutschrift abheben oder für frei gewählte Überweisungen nutzen kann, oder ob der Zessionar eine ihm zustehende Rechtsmacht ausübt, dies zu verhindern.
Von einer Vereinnahmung durch den Zessionar ist dabei bereits dann auszugehen, wenn der Zessionar die ihm zustehende Rechtsmacht, Verfügungen des Zedenten zu verhindern, in Einzelfällen ausübt, während er anderen Weisungen des Zedenten Folge leistet. Es entscheidet dann der Zessionar, wie mit den Zahlungseingängen auf dem debitorisch geführten Konto umgegangen wird, sodass der Zessionar als wirtschaftlich Verfügungsberechtigter anzusehen ist.
3. Im Besprechungsfall bejaht der BFH auf dieser Grundlage eine Vereinnahmung durch die Zessionarin. Im Streitfall lag für das vom Zedenten bei der Zessionarin debitorisch geführte Konto, auf dem die abgetretenen Beträge vereinnahmt wurden, eine erhebliche Überschreitung der vereinbarten Kreditlinie vor. Die Zessionarin führte Belastungsbuchungen in mehreren Fällen nicht durch. Dies genügt, um von einer wirtschaftlichen Verfügungsmacht der Zessionarin auszugehen.
Nicht zu entscheiden war, ob entsprechend Abschn. 13c.1 Abs. 25 UStAE von einer Vereinnahmung bereits dann auszugehen ist, wenn bei einem Zahlungseingang auf ein Kontokorrentkonto der vereinbarte Kreditrahmen bereits um mehr als 15 % überschritten ist. Ebenso konnte offenbleiben, ob eine Vereinnahmung vorliegt, wenn die Kreditlinie bereits überschritten ist und das Kreditinstitut weiteren Verfügungen des Kontoinhabers (lediglich) jederzeit widersprechen kann, ohne dass dieser einen Rechtsanspruch auf die Möglichkeit der Überziehung hat.
4. Gesonderte Beachtung verdient das Erfordernis der sog. Kongruenz. Für die Haftung nach § 13c UStG kommt es auf e...