Leitsatz
Die Geschäftsführer einer GmbH verletzten objektiv die ihnen obliegenden Pflichten, wenn sie nicht dafür sorgen, daß die aufgrund einer Betriebsprüfung zu erwartenden Mehrsteuern zu einem wesentlichen und im Vergleich zu anderen Verbindlichkeiten auch verhältnismäßigen Anteil rechtzeitig aus den Mitteln der GmbH entrichtet werden. Bei der Frage, ob grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 69 AO vorliegt, darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, wie es zu den Steuerrückständen gekommen ist. Bei Steuerrückständen, die sich nicht aus dem laufenden Geschäftsbetrieb ergeben, sondern die sich aus einer Betriebsprüfung ergeben, ist das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit seitens des Finanzamtes besonders sorgfältig zu begründen.
Sachverhalt
Die Kläger wurden als Gesellschaftergeschäftsführer für Körperschaftsteuerrückstände der Jahre 1996 bis 1999 durch Haftungsbescheid des beklagten Finanzamtes in Anspruch genommen. Schon für die Jahre 1992 bis 1995 war die betriebliche Veranlassung von Pensionszusagen an die Gesellschaftergeschäftsführer strittig. Nach Führung eines Rechtsstreites bis zum BFH mit Zurückverweisung an das FG Köln erkannte das beklagte Finanzamt die betriebliche Veranlassung der Pensionsrückstellungen für 1992 bis 1995 an. In einer erneuten Betriebsprüfung für die Jahre 1996 bis 1999 (BP-Bericht vom 14.06.2002) ging das Finanzamt jedoch von verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) insoweit aus, als die Rückstellungen als von der GmbH nicht finanzierbar angesehen wurden. Außerdem wurden die laufenden Aufwendungen der GmbH für die Geschäftsführer als überhöht angesehen und auch insoweit vGA angenommen. Nachdem entsprechende KSt-Bescheide für 1996 bis 1999 ergangen waren, meldete die GmbH Insolvenz an. Daraufhin nahm das beklagte Finanzamt die Kläger durch Haftungsbescheid vom 2.12.2002 in Haftung. Im Einspruchsverfahren ermäßigte das Finanzamt den Haftungsbetrag, weil es anhand einer in anderem Zusammenhang vorgelegten Summen- und Saldenliste der GmbH die sonstigen Verbindlichkeiten zu den Steuerverbindlichkeiten in ein Verhältnis setzte und hieraus eine Haftungsquote von nur noch 80% errechnete. Das Finanzamt ging ohne weiteres von grober Fahrlässigkeit aus. Es sei Sache der Kläger, etwaige Entschuldigungsgründe für ihre Versäumnisse vorzutragen, insbesondere auch für eine geringe Haftungsquote. Die Körperschaftsteuerbescheide 1996, 1997 und 1999 seien von der Vollziehung ausgesetzt gewesen. Erst im Verlauf der im August 2001 begonnenen Betriebsprüfung hätten die Geschäftsführer mit Steuernachzahlungen rechnen müssen, wobei die Ansprüche des Finanzamtes spätestens mit der Schlußbesprechung vom 14.2.2002 hinreichend konkret gewesen seien. Unter Hinweis auf die Entscheidung des BFH vom 26.4.1984 (BFH, Urteil v. 26.4.1984, V R 128/79, BStBl 1984 II 776) sei davon auszugehen, daß beim Fehlen ausreichender Mittel zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten die rückständigen Steuerbeträge in etwa dem gleichen Verhältnis zu tilgen seien wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Benachteilige der Haftungsschuldner das Finanzamt bei der Verteilung der verwalteten Mittel, verletze er diese Pflicht zumindest grob fahrlässig und hafte deshalb im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages. Nachdem der Haftungszeitraum nur etwa die letzten acht Monate vor dem Insolvenzantrag umfasse, sei es allerdings naheliegend, daß in dem Zeitraum bereits Zahlungsschwierigkeiten vorgelegen hätten. Aus diesem Grund könne die Haftung herabgesetzt werden.
Entscheidung
Die Klage war begründet. Zwar hätten die Kläger objektiv die ihnen obliegenden Pflichten verletzt. Sie haben nicht dafür gesorgt, daß die aufgrund der BP zu erwartenden Mehrsteuern zu einem wesentlichen und im Vergleich zu anderen Verbindlichkeiten auch verhältnismäßigen Anteil rechtzeitig aus den Mitteln der GmbH entrichtet wurden.
Die angefochtenen Haftungsbescheide seien gleichwohl rechtswidrig, da das Finanzamt nicht dargelegt habe, warum die Kläger der Vorwurf groben Fahrlässigkeit treffe. Es fehle weiter eine Darlegung, welche konkreten Umstände im Verhalten der Kläger im vorliegenden Fall die Annahme einer groben Fahrlässigkeit begründen. Im vorliegenden Fall hätte das beklagte Finanzamt prüfen und begründen müssen, weshalb es grobe und nicht nur leichte Fahrlässigkeit als gegeben ansah. Die Bevorzugung von Lieferanten, Arbeitnehmern und anderen Gläubigern könne nicht unter allen Umständen und in jedem Fall als grob fahrlässig bewertet werden. Nach Auffassung des Senats dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, wie es zu den Steuerrückständen gekommen ist. Hier habe es sich nicht um Steuern aus dem laufenden Geschäft gehandelt, sondern um Steuerschulden, die auf rechtlichen Fehleinschätzungen beruhten. Hieraus ergebe sich ein wertungsmäßiger Unterschied zu Steuerrückständen aus dem laufenden Geschäftsbetrieb, insbesondere etwa zu Lohn- oder Umsatzsteuerrückständen, bei denen der Steuerschuldner eher als Treuhänder de...