Dipl.-Kfm. Hans-Joachim Rux
1.1 Begriff
Rz. 1
Eine allgemeine Definition für Haftungsverhältnisse enthält weder das HGB noch das AktG noch das GmbHG. § 251 HGB regelt für 4 Haftungsverhältnisse – abschließende Aufzählung – eine Vermerkpflicht unter der Bilanz; dies sind Verbindlichkeiten
- aus der Begebung und Übertragung von Wechseln,
- aus Bürgschaften, Wechsel- und Scheckbürgschaften,
- aus Gewährleistungsverträgen,
- aus Haftungsverhältnissen aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten.
Diese vorstehenden Tatbestände haben folgende gemeinsame Charakteristika:
- einseitige vertragliche Verpflichtung gegenüber Dritten;
- keine unmittelbare Gegenleistung des Dritten;
- das die Verpflichtung auslösende zukünftige Ereignis kann der Verpflichtete nicht mehr beeinflussen;
zum Bilanzstichtag ist mit dem Eintritt der Verpflichtung nicht zu rechnen.
Aus den Haftungsverhältnissen können sich künftig Vermögensbelastungen ergeben, insoweit stellen sie Zusatzinformationen – anzugeben unter der Bilanz – zu den – in der Bilanz aufgeführten – passivierten Rückstellungen und Verbindlichkeiten dar.
Vermerke unter der Bilanz sollen den Bilanzleser auf aus der Bilanz selbst nicht ersichtliche Risiken (sog. off-balance-sheetrisks), die die normalen Geschäftsrisiken übersteigen, aufmerksam machen.
Haftungsverhältnisse in fremder Währung sind nach herrschender Meinung jeweils mit dem Geldkurs am Bilanzstichtag umzurechnen.
Nach § 334 Abs. 1 Nr. 1 HGB handelt ordnungswidrig, wer als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats einer Kapitalgesellschaft bei der Aufstellung oder Feststellung des Jahresabschlusses der Vorschrift des § 251 HGB zuwiderhandelt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 50.000 EUR geahndet werden.
In Ermangelung einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung ist allerdings nur die vorsätzliche Handlung ahnbar; bedingter Vorsatz ist hierbei ausreichend.
1.2 Abgrenzungsfragen
Rz. 2
Die Haftungsverhältnisse sind abzugrenzen von den
- Verbindlichkeiten,
- Rückstellungen,
- sonstigen finanziellen Verpflichtungen.
Bei Verbindlichkeiten ist die Verpflichtung vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht bzw. rechtlich entstanden, ihre Höhe ist bestimmt, der Vermögensabfluss ist sicher; zudem steht einer Verbindlichkeit eine Gegenleistung des Dritten gegenüber.
Rückstellungen sind für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, die Verpflichtung ist ebenfalls vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht bzw. rechtlich entstanden, ihre genaue Höhe ist jedoch unbekannt, der Vermögensabfluss ist wahrscheinlich.
Treffen vorstehende Kriterien für "Verbindlichkeiten" und "Rückstellungen" zu, geht die Passivierungspflicht der Vermerkpflicht voraus (§ 251 HGB: "… sofern sie nicht auf der Passivseite auszuweisen sind …"); der Ausweis in der Bilanz geht dem Ausweis unter der Bilanz vor.
Für "sonstige finanzielle Verpflichtungen" gibt es keine Legaldefinition. Es handelt sich um zum Bilanzstichtag feststehende Verpflichtungen, die erst künftig zu Ausgaben führen, ohne dass es sich dabei zwingend um vertragliche oder gesetzliche Pflichten handelt.
Es handelt sich um Verpflichtungen, denen eine Gegenleistung gegenüber steht – das ist der gravierende Unterschied zu den Haftungsverhältnissen. Finanzielle Verpflichtungen sind:
- die aus schwebenden Rechtsgeschäften oder gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen folgen,
- die zu einer wesentlichen Belastung der Finanzlage eines Unternehmens führen können, sowie
- Verpflichtungen aus öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen, die sich noch nicht in einer Weise verdichtet haben, die einen Bilanzausweis rechtfertigt.
Weitere Beispiele für sonstige finanzielle Verpflichtungen sind:
- Mehrjährige Verpflichtungen aus Miet- und Pachtverträgen,
- künftige für das Unternehmen unabwendbare Großreparaturen, bei denen noch keine vertraglichen Vereinbarungen vorliegen.
- Noch nicht fällige Leasingraten/Leasingrestverbindlichkeiten zum Bilanzstichtag.
1.3 Vorschriften nach HGB
Rz. 3
Die Haftungsverhältnisse sind unter der Bilanz zu vermerken; die Regelung ist gemäß § 298 Abs. 1 HGB auch auf den Konzernabschluss anzuwenden. Ergänzende Anforderungen für KapG/GmbH & Co. KG sind in § 268 Abs. 7 HGB geregelt.
§ 251 HGB regelt abschließend die 4 Tatbestände, f...