Leitsatz (amtlich)
Die zur Erhebung eines Säumniszuschlags nach § 77 Abs. 4 Satz 3 SGB IX verpflichtende Säumnis des Schuldners einer Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe tritt unabhängig von einem Feststellungsbescheid nach § 77 Abs. 4 Satz 2 SGB IX ein.
Normenkette
SGB IX § 77 Abs. 4
Verfahrensgang
VG Hamburg (Urteil vom 20.07.2015; Aktenzeichen 13 K 2750/14) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2015 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg zuzulassen, wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung eines Säumniszuschlags wegen der verspäteten Entrichtung einer Ausgleichsabgabe.
Die Klägerin betreibt ein Glas- und Gebäudereinigungsunternehmen. Da sie nicht die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen beschäftigt, entrichtet sie seit Jahren Ausgleichsabgaben nach § 77 SGB IX. Für das Jahr 2011 erstattete sie die in § 80 Abs. 2 SGB IX vorgeschriebene Anzeige eingehend bei der Agentur für Arbeit am 23. Mai 2012. In dieser Anzeige wurde die für das Jahr 2011 zu leistende Ausgleichsabgabe mit 26.780,– Euro beziffert. Die Zahlung dieses Betrages an die Beklagte erfolgte jedoch nicht. Mit Bescheid vom 28. Mai 2013 stellte die Beklagte einen rückständigen Betrag in Höhe von 26.780,– Euro fest und forderte die Klägerin zur Überweisung dieser Summe bis zum 17. Juni 2013 auf. Am 17. Juni 2013 ging der von der Klägerin geschuldete Betrag bei der Beklagten ein.
Mit Bescheid vom 25. Juni 2013 erhob die Beklagte gegenüber der Klägerin einen Säumniszuschlag in Höhe von 4.012,50 Euro: Die Ausgleichsabgabe für das Jahr 2011 sei am 31. März 2012 fällig gewesen, jedoch verspätet bei ihr eingegangen. Den Widerspruch der Klägerin hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2014 zurück.
Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Hamburg mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2015 abgewiesen: Zu Recht habe die Beklagte auf der Grundlage von § 77 Abs. 4 Satz 3 SGB IX i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV Säumniszuschläge erhoben. Die Klägerin sei im Sinne dieser Vorschriften säumig gewesen, da sie die Ausgleichsabgabe für das Jahr 2011 nicht bis zum 31. März 2012 entrichtet habe. Eines förmlichen Bescheides habe es hierfür nicht bedurft. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Säumniszuschläge bestünden nicht. Ihrer Erhebung stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte den in § 77 Abs. 4 Satz 2 SGB IX vorgesehenen Feststellungsbescheid über die rückständigen Beträge nicht nach Ablauf von drei Monaten nach deren Fälligkeit, sondern erst später erlassen habe. Die Erhebung von Säumniszuschlägen sei auch nicht nach § 77 Abs. 4 Satz 4 SGB IX wegen eines begründeten Ausnahmefalls ausgeschlossen gewesen. Die rechnerische Ermittlung der Säumniszuschläge begegne keinen rechtlichen Bedenken.
Hiergegen richtet sich der Antrag der Klägerin, mit dem sie begehrt, die Berufung zuzulassen.
Entscheidungsgründe
II.
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Aus den Darlegungen der Klägerin im Zulassungsantrag, auf die die Prüfung im Zulassungsverfahren grundsätzlich beschränkt ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), ergeben sich nicht die von ihr geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dann begründet, wenn gegen dessen Richtigkeit angesichts der Begründung des Zulassungsantrags gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Hiervon ist immer schon dann auszugehen, wenn durch die Begründung des Zulassungsantrags ein einzelner tragender Rechtssatz – sei es ein abstrakter Obersatz, sei es die Subsumtion des konkreten Sachverhalts unter einen solchen Obersatz – oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000, NVwZ 2000, 1163, juris Rn. 15; BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33 S. 7, juris Rn. 8 f.). So liegt es hier nicht.
Die Klägerin macht geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass § 77 Abs. 4 Satz 2 SGB IX hinsichtlich der Frage, wann der Feststellungsbescheid des Integrationsamtes zu ergehen habe, bewusst nach oben hin offen erscheine. Richtigerweise könne die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung nur so verstanden werden, dass der Feststellungsbescheid unverzüglich zu erlassen sei, sobald ein Arbeitgeber mehr als drei Monate in Rückstand gerate. Der Beklagten sei kein Entschließungsermessen über die Frage eingeräumt, wann sie den Feststellungsbescheid erlassen könne. Würde dies nicht gelten, liefe dies in letzter Konsequenz auf eine zulässige Untätigkeit der Behörde hinaus. Denn wer eine vorgesehene Handlung nicht innerhalb einer bestimmten Frist vornehmen müsse, dem könne auch nicht entgegen...