a) Grundsatz
Die Restnutzungsdauer ist grundsätzlich der Unterschiedsbetrag zwischen der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer, die sich aus Anlage 38 zum BewG ergibt, und dem Alter des Gebäudes im Hauptfeststellungszeitpunkt. Es bestehen aus Vereinfachungsgründen keine Bedenken, das Alter des Gebäudes durch Abzug des Jahres der Bezugsfertigkeit des Gebäudes (Baujahr) vom Jahr des Hauptfeststellungszeitpunkts zu bestimmen (vgl. A 253.1 Abs. 1 Satz 2 AEBewGrSt).
Beraterhinweis Die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer beträgt für Wohngrundstücke einheitlich 80 Jahre. Dies gilt unabhängig davon, ob im Gebäude enthaltene Räume (z.B. Verkaufsräume oder Büros) für Zwecke genutzt werden, für die eine abweichende wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer anzunehmen wäre.
b) Verlängerung der Nutzungsdauer
Sind nach der Bezugsfertigkeit des Gebäudes Veränderungen eingetreten, die die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes wesentlich verlängert haben, ist gem. § 253 Abs. 2 Satz 4 BewG von einer der Verlängerung entspr. Restnutzungsdauer auszugehen. Von einer wesentlichen Verlängerung der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer ist wie beim Sachwertverfahren nur bei einer Kernsanierung auszugehen (vgl. zum Vorliegen einer Kernsanierung Teil I des Beitrags, ErbStB 2022, 176 unter IV.5.b)).
Im Jahr der Kernsanierung beträgt die Restnutzungsdauer aus Vereinfachungsgründen 90 % der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes. Mit dem pauschalen Abschlag i.H.v. 10 % wird die teilweise noch verbliebene alte Bausubstanz berücksichtigt. Als Jahr der Kernsanierung gilt das Jahr, in dem die Kernsanierung abgeschlossen wurde.
Beispiel
Baujahr 1970, Kernsanierung 2008, wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer 80 Jahre.
Restnutzungsdauer im Jahr der Kernsanierung:
wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer (80 Jahre) ./. 10 % der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer (8 Jahre) = 72 Jahre
Restnutzungsdauer im Feststellungszeitpunkt:
72 Jahre ./. (2022 ./. 2008) = 58 Jahre
c) Verkürzung der Nutzungsdauer
Eine Verkürzung der Restnutzungsdauer kommt nur bei bestehender Abbruchverpflichtung für das Gebäude in Betracht. Insbesondere Baumängel und Bauschäden oder wirtschaftliche Gegebenheiten führen nicht zu einer Verkürzung der Restnutzungsdauer bei der Ermittlung des Grundsteuerwertes. Dies gilt auch für nicht behebbare Baumängel oder Bauschäden (z.B. Gründungsmängel, Kriegsschäden, Bergschäden), die selbst durch Ausbesserung nicht auf Dauer beseitigt werden können (vgl. A 253.1 Abs. 4 AEBewGrSt).
d) Mindest-Restnutzungsdauer
Die Restnutzungsdauer eines noch nutzbaren Gebäudes beträgt mindestens 30 % der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer. Bei den Wohngrundstücken beträgt die Mindest-Restnutzungsdauer daher einheitlich 24 Jahre. Die Regelung unterstellt einen durchschnittlichen Erhaltungszustand und macht insb. bei älteren Gebäuden die Prüfung entbehrlich, ob die restliche Lebensdauer infolge baulicher Maßnahmen verlängert wurde.
Beraterhinweis Bei bestehender Abbruchverpflichtung für das Gebäude kann die Mindest-Restnutzungsdauer unterschritten werden.