Anwendung der Bewertungsverfahren nach den AEBewGrSt – Teil II
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. (FH) Mathias Grootens
Die mit dem GrStRefG vom 26.11.2019 angeordnete Reform der Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer sieht die Feststellung der Grundsteuerwerte im Wege einer Hauptfeststellung auf den 1.1.2022 vor. Zwischenzeitlich sind einige gesetzgeberische Ergänzungen des reformierten Gesetzes und auch klarstellende Anwendungserlasse ergangen. In diesem zweiteiligen Beitrag werden nun Besonderheiten aufgezeigt, die es bei der Erstellung der Feststellungserklärung zu beachten gilt. Nachdem in Teil I dieses Beitrags die Bewertung der Nichtwohngrundstücke dargestellt wurde (Grootens, ErbStB 2022, 176), folgt in Teil II die Bewertung der Wohngrundstücke im Ertragswertverfahren sowie die Behandlung der Sonderfälle Erbbaurecht und Gebäude auf fremdem Grund und Boden.
I. Abgrenzung der Grundstücksgruppen
Bei der Bewertung der bebauten Grundstücke ist zwischen der Gruppe der Nichtwohngrundstücke und der Gruppe der Wohngrundstücke zu unterscheiden. Während die Gruppe der Nichtwohngrundstücke gem. § 250 Abs. 3 im Sachwertverfahren bewertet wird, ist gem. § 250 Abs. 2 BewG für die Gruppe der Wohngrundstücke das Ertragswertverfahren anzuwenden. Dies folgt dem Konzept der Grundsteuer als Sollertragsteuer.
II. Bewertung der Wohngrundstücke im Sachwertverfahren
1. Systematik des Ertragswertverfahrens
Das Ertragswertverfahren des bisherigen Systems der Einheitsbewertung auf der Grundlage der jährlichen Reinerträge nach §§ 78–82 BewG (Reinertragsverfahren) wurde unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des Wertermittlungsrechts und der aktuellen Datenlage fortentwickelt. Das Ertragswertverfahren nach §§ 252 ff. BewG wurde hierzu in Anlehnung an das vereinfachte Ertragswertverfahren nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ImmoWertV 2010 normiert.
Der Ertragswertmethodik liegt der Gedanke zugrunde, dass sich der objektiviert-reale Wert eines Grundstücks – ähnlich wie beim land- und forstwirtschaftlichen Vermögen – aus seinem nachhaltig erzielbaren Reinertrag ermitteln lässt. Im Ertragswertverfahren ist der auf den Bewertungsstichtag bezogene Barwert (Gegenwartswert) aller zukünftigen Erträge zu ermitteln. Hierbei ist zu beachten, dass die Lebensdauer (Nutzungsdauer) eines Gebäudes – im Gegensatz zum Grund und Boden – begrenzt ist. Während die Erträge oder Ertragsanteile für ein Gebäude nur für die am Bewertungsstichtag verbleibende und begrenzte Nutzungsdauer (Restnutzungsdauer) des Gebäudes kapitalisiert werden können, sind die dem Grund und Boden zuzurechnenden Erträge bzw. Ertragsanteile für eine unbegrenzte Nutzungsdauer als "ewige Rente" zu kapitalisieren. Der Wert des Grund und Bodens ist grundsätzlich eine stete Größe, die nur allgemeinen Wertschwankungen unterworfen ist.
Im vereinfachten Ertragswertverfahren nach §§ 252 ff. BewG wird diesen Grundsätzen der Wertfindung Rechnung getragen, indem der vorläufige Ertragswert am Bewertungsstichtag aus dem
- über die Restnutzungsdauer des Gebäudes kapitalisierten jährlichen Reinertrag des Grundstücks (Reinerträge aus Grund und Boden sowie Gebäude/ohne vorherigen Abzug einer Bodenwertverzinsung, vgl. § 253 BewG) zzgl. des
- über die Restnutzungsdauer des Gebäudes abgezinsten Bodenwerts (vgl. § 257 BewG)
ermittelt wird.
Das typisierte Ertragswertverfahren nach den §§ 252 bis 257 BewG stellt sich schematisch wie folgt dar:
Quelle: Koordinierte Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 9.11.2021 – S 301, BStBl. I 2021, 2334.
Beraterhinweis Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale wie z.B. von den marktüblich erzielbaren Erträgen erheblich abweichende Erträge des Bewertungsobjekts, Baumängel oder Bauschäden, eine wirtschaftliche Überalterung, ein überdurchschnittlicher Erhaltungszustand, Bodenverunreinigungen sowie grundstücksbezogene Rechte und Belastungen sind i.R. dieser typisierenden Wertermittlung nicht gesondert zu ermitteln und zu berücksichtigen, vgl. A 252 Abs. 2 AEBewGrSt (Koordinierte Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 9.11.2021 – S 3017 zum Grundvermögen und zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen betreffend das Grundvermögen, BStBl. I 2021, 2334, und das land- und forstwirtschaftliche Vermögen, BStBl. I 2021, 2369).
2. Ermittlung des Rohertrags
Ausgangsgröße der Bewertung im Ertragswertverfahren ist der jährliche Rohertrag des Grundstücks. Der jährliche Rohertrag des Grundstücks ergibt sich aus typisierten monatlichen Nettokaltmieten. Die Höhe der monatlichen Nettokaltmieten pro qm ist der Anlage 39 zum BewG zu entnehmen. Die Erklärung der tatsächlichen Mieteinnahmen durch den Steuerpflichtigen oder die Ermittlung einer üblichen Miete ist ausgeschlossen.
Bei Wohngrundstücken wird der jährliche Rohertrag auf der Grundlage von aus dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes für jedes Bundesland abgeleiteten durchschnittlichen Nettokaltmieten je qm Wohnfläche ermittelt. Die Nettokaltmieten werden für die drei Grundstücksarten Einfamilienhaus, Zweifamilienhaus und Miet...