Leitsatz
Der Eintritt der Heilungswirkung nach den Übergangsregelungen in § 17 Abs. 2 i.V.m. § 34 Abs. 10b Satz 2 und 3 KStG n.F. zum gesetzlichen Erfordernis des dynamischen Verweises auf § 302 AktG (§ 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KStG n.F.) hängt vom Verhalten des Steuerpflichtigen ab. Deshalb tritt bei Beendigung der steuerlichen Organschaft vor dem 01.01.2015 die Heilungswirkung gemäß § 34 Abs. 10b Satz 3 KStG n.F. nicht ein, wenn der Steuerpflichtige durch eine nach außen erkennbare Handlung den Willen äußert, eine Heilung des "fehlerhaften" Gewinnabführungsvertrages nicht herbeiführen, sondern die Rechtsfolgen des "fehlerhaften" Gewinnabführungsvertrages tragen zu wollen.
Normenkette
§ 17 Abs. 2 KStG i.d.F. des Gesetzes vom 25.7.2014, § 34 Abs. 10b KStG i.d.F. des Gesetzes vom 18.12.2013
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft, hielt sämtliche Anteile der in den Streitjahren 2007 bis 2011 unter A-GmbH (GmbH) firmierenden Beigeladenen. Die GmbH hielt Beteiligungen an inländischen Personengesellschaften, und zwar der B-GmbH & Co. KG sowie der C-GmbH & Co. KG (Enkelgesellschaften).
Die GmbH schloss als Organgesellschaft am ….3.2004 mit der Klägerin als Organträgerin einen Ergebnisabführungsvertrag (EAV) für eine feste Laufzeit von fünf Jahren ab, der erstmals zum 31.5.2008 gekündigt werden konnte. Unter § 1 "Ergebnisabführung" heißt es in Ziffer 2: "In entsprechender Anwendung von § 302 Abs. 1 und Abs. 3 AktG verpflichtet sich der Organträger, jeden während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den freien Rücklagen gem. Ziff. 1 Abs. 2 Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer gebildet worden sind."
Mit dem Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004 (BGBl I 2004, 3214) fügte der Gesetzgeber mit einem neuen Absatz 4 eine Verjährungsregelung in § 302 AktG ein. Der EAV wurde von den Vertragsparteien nicht angepasst.
Ihren Gewinn ermittelten die Klägerin und die GmbH durch Bestandsvergleich auf der Grundlage eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres (vom 1.6 bis 31.5.). In den Steuererklärungen der Streitjahre erfasste die Klägerin jeweils Gewinnabführungen der GmbH. Die GmbH erklärte spiegelbildlich jeweils ein Einkommen von 0 EUR.
Mit Schreiben vom 20.4.2012 kündigte die Klägerin den EAV zum 31.5.2012; die Aufhebung des EAV wurde im Handelsregister eingetragen.
Im Zuge von Außenprüfungen bei der Klägerin und der GmbH wurden unter anderem der Ansatz von GewSt-Messbeträgen aus Beteiligungen an den Enkelgesellschaften (im Zusammenhang mit der Gewährung der Steuerermäßigung gemäß § 35 EStG) beanstandet. Der BFH habe zu einer den Verhältnissen des Streitfalles vergleichbaren Konstellation dahin erkannt, dass der "Durchleitung" anteiliger GewSt-Messbeträge von nachgeordneten Personenuntergesellschaften durch eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft deren Abschirmwirkung entgegenstehe. Dies gelte auch dann, wenn die Kapitalgesellschaft organschaftlich mit der Personenobergesellschaft als Organträgerin verbunden sei.
Die Klägerin wandte daraufhin ein, dass die Organschaft zwischen ihr und der GmbH nicht anzuerkennen sei, weil der EAV keinen Verweis auf § 302 Abs. 4 AktG enthalte. Einkommen und Gewerbeertrag der GmbH seien ihr daher nicht zuzurechnen.
Das FA folgte dem in den angegriffenen Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie über die Festsetzung von GewSt-Messbeträgen nicht. Auch der Besteuerung der GmbH legte das FA eine bestehende Organschaft zugrunde und setzte die KSt für die Streitjahre jeweils auf 0 EUR fest.
Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Münster, Urteil vom 27.11.2019, 13 K 2898/16 G,F, Haufe-Index 13704734).
Entscheidung
Die gegen das klageabweisende Urteil eingelegte Revision der Klägerin war erfolgreich. Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt. Die Gründe dafür können den Praxis-Hinweisen entnommen werden.
Hinweis
1. Die Entscheidung betrifft zwar Altfälle, zugleich aber auch eine Problematik von größerer praktischer Reichweite.
2. Die Problematik, die in der Vergangenheit in nicht wenigen Fällen zur Nicht-Anerkennung der ertragsteuerlichen Organschaft führte, bestand darin, dass nach einer strengen, zuweilen als formalistisch kritisierten Rechtsprechung bei der GmbH als Organgesellschaft der Gewinnabführungsvertrag (GAV) eine Verlustübernahmeregelung entsprechend der – unmittelbar nur für Aktiengesellschaften geltenden – Bestimmung des § 302 AktG enthalten musste (§ 17 KStG a.F.). Enthielt der GAV keine oder nur eine unvollständige Verlustübernahmeregelung, dann scheiterte daran die Organschaft. Auch späteren (also nach Abschluss des GAV erfolgten) Änderungen des § 302 AktG musste nach der Rechtsprechung des BFH durch nachträgliche Anpassung des GAV Rechnung getragen werden. GAV, die diesen Vorgaben nicht entsprachen, waren insoweit "fehlerhaft", als sie der...