Dr. Christian Delarber, Dr. Florian Müller
4.1 Herstellung
Rz. 58
Die Herstellungskosten eines Gebäudes ergeben sich primär aus den Aufwendungen für seine erstmalige Herstellung bzw. Errichtung. Des Weiteren decken auch die in § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB kodifizierten Aufwendungen für Erweiterungen und wesentliche Verbesserungen über den ursprünglichen Zustand des Vermögensgegenstandes hinaus im Wesentlichen den Bereich der Gebäude ab. Dahingehend hat die Finanzverwaltung unter anderem zu den Herstellungskosten bei Gebäuden in ihren verschiedenen Ausprägungsformen Stellung bezogen. Im Kontext der Bilanzierung kommt diesem insbesondere vor dem Hintergrund der Abgrenzungsproblematik zwischen Herstellungsaufwand und sofort abziehbarem Erhaltungsaufwand eine erhebliche praktische Bedeutung zu. Nichtsdestotrotz ist im Detail die einzelfallspezifische höchstrichterliche Rechtsprechung zu berücksichtigen.
Rz. 59
Im Rahmen der (Neu-)Herstellung sind die in Kapitel 1 thematisierten Differenzierungen einschlägig. So führen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen bei technischem oder wirtschaftlichem Vollverschleiß eines Gebäudes zu einer (Neu-)Herstellung bzw. zu aktivierbarem Aufwand. Hinsichtlich eines Gebäudes ist von einem Vollverschleiß auszugehen, wenn schwere Substanzschäden mit erheblichem Einfluss auf Nutzbarkeit und Nutzungsdauer vorliegen; es handelt sich mithin im umgangssprachlichen Sinne um eine (Teil-)Ruine. Nach den vorgenommenen Baumaßnahmen müssen sich die Nutzbarkeit und die Nutzungsdauer geändert haben.
4.2 Erweiterung
4.2.1 Aufstockung
Rz. 60
Bei einer Aufstockung wird ein Gebäude um (mindestens) ein zusätzliches Stockwerk erweitert. Wird bei einem Gebäude eine Aufstockung vorgenommen, liegt eine Erweiterung des Gebäudes vor, welche stets dazu führt, dass die damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen nicht als laufender Aufwand direkt abziehbar sind, sondern einer Aktivierung als nachträgliche Herstellungskosten beim bisherigen Gebäude unterliegen. Eine Aufstockung eines Gebäudes führt nicht zwangsweise zu einem grundlegenden Umbau, auch wenn hierdurch die Bausubstanz erheblich vermehrt worden ist. Es handelt sich regelmäßig nicht um einen Neubau, da die durch die Aufstockung durchgeführten Baumaßnahmen in der wirtschaftlichen Einheit des Gesamtgebäudes aufgehen und keine Wesensänderung des bisherigen Gebäudes stattfindet.
Rz. 61
A errichtete vor 20 Jahren auf seinem Grundstück eine Gaststätte. Die Herstellungskosten betrugen 200.000 EUR. Im Jahr 01 stockt er die Gaststätte um ein Stockwerk auf und richtet darin Ferienwohnungen ein. Die Baumaßnahme ist bereits im November 01 beendet. Die Aufwendungen betrugen insgesamt 300.000 EUR. Das Gaststättengebäude war bereits vor der Aufstockung fertig gestellt. Die Aufstockung ist lediglich eine Ergänzung des Gebäudes. Die zusätzlichen Baumaßnahmen gehen in der wirtschaftlichen Einheit des Gesamtgebäudes auf. Das aufgestockte Gebäude ist also, wirtschaftlich gesehen, kein Neubau. Es handelt sich bei den Aufwendungen in Höhe von 300.000 EUR um nachträgliche Herstellungskosten des bisherigen Gebäudes.
4.2.2 Anbau
Rz. 62
Auch Anbauten an einem Gebäude sind als Erweiterung zu qualifizieren. Die damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen stellen nachträgliche Herstellungskosten dar. Bei Anbauten ist dahingehend zu unterscheiden, ob eine sogenannte Verschachtelung zwischen dem bisherigen Gebäude und dem Anbau vorliegt.
Rz. 63
Nach der Rechtsprechung des BFH führt erst eine Mehrzahl baulicher Verbindungen zu einer Verschachtelung und damit zur Entstehung eines einheitlichen Gebäudes. Die Verbindungen müssen derartig sein, dass sie bei einem etwaigen Verkauf des Anbaus nicht ohne erhebliche Bauaufwendungen voneinander getrennt werden können. Erfolgt durch den Anbau eine Prägung, die auf das Gesamtgebäude durchdringt, entsteht ein neuer Vermögensgegenstand; ansonsten ergeben sich nachträgliche Herstellungskosten hinsichtlich des Anbaus. Hat der Anbau etwa eigene Fundamente, eigene Mauern und einen eigenen Eingang, dann können auch eine gemeinsame Versorgung von Gebäude und Anbau mit Energie, Wärme und Wasser sowie Verbindungstüren zwischen Gebäude und Anbau eine Verschachtelung nicht begründen. Fehlt es an einer ausreichenden baulichen Verschachtelung, so bildet der Anbau einen eigenständigen Vermögensgegenstand, wenn das Gebäude ohne den Anbau nicht unvollständig wäre. Auf die Wert- und Größenverhältnisse zwischen Alt- und Neubau kommt es dann nicht an. Wäre das Gesamtgebäude ohne den Anbau unvollständig, so resulti...