rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung eines Abrechnungsbescheides bei Streit vor dem Zivilgericht über das Bestehen einer Gegenforderung
Leitsatz (redaktionell)
- Das Finanzgericht ist gehindert im Rahmen eines Aussetzungsverfahrens über einen Abrechnungsbescheid das Bestehen eines zivilrechtlichen Anspruchs, dessen sich die Finanzverwaltung in Bezug auf eine von ihr vorgenommene Aufrechnung (§ 226 AO) rühmt, inzident zu prüfen. Bis zur Rechtskraft der Entscheidung durch das Zivilgericht bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Abrechnungsbescheides.
- Bis zur Entscheidung des Zivilprozesses ist es ermessensgerecht Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung des Abrechnungsbescheids gegen Sicherheitsleistung zu gewähren.
Normenkette
FGO § 69; AO § 226; BGB § 313
Streitjahr(e)
2012, 2013, 2015
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten im Hauptsacheverfahren ist die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides betreffend die „Rückabwicklung” der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen gemäß § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nach dem Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 22. August 2013 (V R 37/10, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2014, 128).
Auf Grundlage der Rechtsprechung des BFH zur Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen (Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BStBl II 2014, 128) reichte die Antragstellerin beim Antragsgegner u.a. eine korrigierte Umsatzsteuererklärung für 2012 sowie korrigierte Umsatzsteuer-Voranmeldungen I. Quartal 2013 und April bis September 2013 ein.
Nach umfangreichem Schriftverkehr erließ der Antragsgegner (das Finanzamt
- FA -) am 27. Januar 2015 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Umsatzsteuerbescheide für 2012, I. Quartal 2013, sowie April bis
August 2013. Hinsichtlich der Einzelheiten der Bescheide wird auf die Anlage K2 zum Klageschriftsatz (Bl. 8 ff. der Gerichtakte 1 K 284/15) Bezug genommen. Mit Ausnahme der Zinsen zur Umsatzsteuer 2012 wurden die Guthaben jedoch nicht erstattet, sondern mit Umsatzsteuerschulden der Leistenden (der Firma R-GmbH) in Höhe von … € verrechnet.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2015 beantragte die Antragstellerin einen Abrechnungsbescheid, der am 9. Februar 2015 vom FA erlassen wurde. Hinsichtlich der Einzelheiten des Bescheides wird auf die Aktenausfertigung (Bl. 57 f. des Sonderbandes § 13b UStG/Abrechnungsbescheid) Bezug genommen.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 16. Februar 2015 Sprungklage erhoben, der das FA am 3. März 2015 zustimmte und die beim Gericht unter dem Aktenzeichen 1 K 284/15 anhängig ist. Zur Begründung ihrer Klage trägt die Antragstellerin vor, sie habe in den Jahren 2012 und 2013 diverse Bauleistungen
empfangen und die darauf entfallende Umsatzsteuer zunächst als Steuerschuldnerin nach § 13b UStG angemeldet. Diese Bauleistungen beträfen die Bebauung eigener Grundstücke, namentlich die Errichtung von Wohngrundstücken zur Weiterveräußerung. Es handele sich somit um ein klassisches Bauträgergeschäft, dessen Ausgangsumsatz nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei sei. Sie, die Antragstellerin, verwende die empfangenen Bauleistungen
ihrerseits also nicht zur Erbringung bauwerksbezogener Lieferungen. Mit
Urteil vom 20. August 2013 habe der BFH jedoch entschieden, dass in diesen Fällen der Leistungsempfänger nicht Steuerschuldner nach § 13b UStG sei. Das BMF habe mit Schreiben vom 5. Februar 2014 und 8. Mai 2014 die Anwendbarkeit dieses BFH-Urteils in allen noch offenen Fällen bejaht. Sie habe daraufhin geänderte Umsatzsteuererklärungen eingereicht. Die Aufrechnung der daraus entstandenen Guthaben mit Steuerschulden der Leistenden sei nicht zu Recht erfolgt. Denn entgegen der Auffassung des FA gebe es keinen zivilrechtlichen Anspruch der Leistenden ihr gegenüber, den sich das Finanzamt hätte abtreten lassen können. Grund hierfür sei eine am 22. Januar 2014 geschlossene Vergleichsvereinbarung zwischen ihr und der Leistenden, worin unter anderem die Durchsetzung und Geltendmachung jeglicher Ansprüche vertraglich ausgeschlossen werde. Da der Wortlaut des Vergleichs alle Ansprüche ausschließe, habe die Leistende keinen Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer gegen sie (die Antragstellerin), der abgetreten werden könne und mit dem eine Aufrechnung nach § 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) möglich sei.
Nachdem das FA einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Antragstellerin mit Verfügung vom 2. März 2015 angelehnt hatte, hat die Antragstellerin am 10. Dezember 2015 einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung
der Vollziehung gestellt. Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf Ihr Vorbringen im Klageverfahren.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung des Abrechnungsbescheids vom 9. Februar 2015 bezüglich Umsatzsteuer 2012, 1. Quartal 2013 sowie April bis August 2013 aufzuheben,
hilfsweise die Beschwerde zuzulassen.
Das FA beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung trägt es vor, die Leistende habe einen zivilrechtlich...