rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablauf der Frist für eine kostenfreie Klagerücknahme

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Endet die Frist für die gebührenfreie Rücknahme einer Klage gem. Nr. 3110 Satz 2 des Kostenverzeichnisses (KV) an einem Sonntag, kann die Klage am darauffolgenden Werktag nicht mehr kostenfrei zurück genommen werden.
  2. Der gebührrenrechtliche Vorteil der Nr. 3110 Satz 2 KV wird nur dann gewährt, wenn der in dieser Regelung genannte letztmögliche Zeitpunkt unabhängig von der Art des Wochentages strikt eingehalten wird.
 

Normenkette

FGO § 72 Abs. 1 Nr. 1, § 136 Abs. 2; KV Nr. 3110 S. 2; BGB § 193; ZPO § 222 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

1999

 

Tatbestand

Der Erinnerungsführer erhob mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 20.12.1995 Klage gegen das Finanzamt B. wegen … Nachdem der Einzelrichter in dem unter der Geschäftsnummer 9 K 13/96 registrierten Verfahren durch Verfügung vom 02.11.1999 Termin zur mündlichen Verhandlung auf Montag, den 22.11.1999, bestimmt hatte, wurde die Klage mit am Montag, dem 15.11.1999, beim Gericht eingegangenem Telefax zurückgenommen. Daraufhin wurde das Verfahren gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eingestellt.

Die vorliegende Erinnerung richtet sich gegen die Kostenrechnung des Kostenbeamten vom 26.11.1999, mit der gemäß Nr. 3110 Satz 1 des Kostenverzeichnisses (KV) zu § 11 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) auf der Grundlage eines Streitwertes von 600,?? DM eine Verfahrensgebühr in Höhe von 50,?? DM festgesetzt wurde. Der Erinnerungsführer hält die Erhebung der Verfahrensgebühr für unzulässig. Nach seiner Auffassung ist die Klage rechtzeitig zurückgenommen worden, da an Sonntagen Fristen nicht zu laufen begännen.

Der Kostenbeamte hat - nach Anhörung der Bezirksrevisorin - der Erinnerung nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Erinnerung ist unbegründet.

Die durch die Klageerhebung entstandene und vom Erinnerungsführer nach § 136 Abs. 2 FGO zu tragende allgemeine Verfahrensgebühr ist nicht durch die Zurücknahme der Klage entfallen.

Gemäß Nr. 3110 Satz 2 KV entfällt die nach Satz 1 dieser Bestimmung zu erhebende Verfahrensgebühr u. a. bei Zurücknahme der Klage früher als eine Woche vor Beginn des Tages, der für die mündliche Verhandlung vorgesehen war. Hiernach hätte die Klage des Erinnerungsführers spätestens am Sonntag, dem 14.11.1999 zurückgenommen werden müssen. Da die Rücknahmeerklärung jedoch erst am Montag, dem 15.11.1999, beim Gericht eingegangen ist, ist die dargelegte Voraussetzung für den Wegfall der Gebühr nicht gegeben.

Entgegen der Auffassung des Erinnerungsführers finden die §§ 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bzw. 222 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) keine Anwendung.

Nach diesen Vorschriften kann eine an einem bestimmten Tage oder innerhalb einer Frist abzugebende Willenserklärung (§ 193 BGB) bzw. prozessuale Handlung (§ 222 Abs. 2 ZPO) auch noch am nächstfolgenden Werktag abgegeben werden, wenn der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist ein Sonntag oder gesetzlicher Feiertag ist.

Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschriften verbietet sich bereits deshalb, weil Nr. 3110 Satz 2 KV lediglich die kostenrechtlichen Nebenfolgen der Klagerücknahme regelt, während die Prozesshandlung als solche noch zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt, nämlich bis zu Rechtskraft des Urteils, wirksam vorgenommen werden kann (§ 72 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Senat hat außerdem erhebliche Zweifel, ob Nr. 3110 Satz 2 KV die Voraussetzungen einer Termins- oder Fristbestimmung i. S. der §§ 186 und 193 BGB, 222 Abs. 2 ZPO erfüllt. Denn die zum Wegfall der Verfahrensgebühr führende Klagerücknahme braucht nicht an einem bestimmten Tag, insbesondere nicht am letzten Tag vor Beginn der Wochenfrist erklärt zu werden; dies kann auch schon vorher geschehen. Auch ist dieser letzte Tag nicht der letzte Tag einer Frist, weil diese keinen Anfangszeitpunkt, sondern nur einen Endtermin bestimmt (vgl. hierzu das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28.7.1967 2 AZR 380/66, Neue Juristische Wochenschrift 1967, 2078).

Eine entsprechende Anwendung der §§ 193 BGB, 222 Abs. 2 ZPO kommt ebenfalls nicht in Betracht, da sie dem Zweck der Nr. 3110 Satz 2 KV zuwiderlaufen würde. Im Gesetzgebungsverfahren betreffend diese Bestimmung ist davon ausgegangen worden, dass sich das Gericht nicht früher als eine Woche vor dem Terminstag mit dem Verfahren auseinandersetzt, so dass deshalb eine Klagerücknahme früher als eine Woche vor dem Termin dem Gericht diesen Zeitaufwand erspart und daher den Wegfall der Verfahrensgebühr rechtfertigt. Dem Rechtsbehelfsführer soll damit ein Anreiz gegeben werden, die Klage bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor dem für die mündliche Verhandlung vorgesehenen Termin und nicht erst später zurückzunehmen (vgl. zu den vorstehenden Ausführungen den Beschluss des Finanzgerichts Bremen vom 22.11.1999 2 99 304 Ko 2, Entscheidungen der Finanzgerichte 2000, 96, mit weiteren Nachweisen zu den Gesetzesmaterialien). Ausgehend von den skizzierten gesetzgeberisc...

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