rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Vollstreckungsschutz für bereits vor der Corona-Pandemie eingeleitete Vollstreckungsmaßnahmen
Leitsatz (redaktionell)
- Nach dem COVInsAG ist keine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht anzunehmen, wenn der Insolvenzantrag bereits vor Geltung des Corona-Gesetzes erfolgte.
- Nach dem BMF-Schreiben ist es nicht geboten, bereits bestehende und fortwirkende Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben.
- Antragsbefugt für eine einstweilige Anordnung nach § 114 FGO ist nur derjenige, der auch befugt ist, im Hauptsacheverfahren Klage zu erheben.
- Die Gesellschafter einer GbR sind nicht in ihrer eigenen Rechtsstellung und damit nicht in ihren Rechten verletzt, wenn sie sich gegen Vollstreckungsmaßnahmen wenden, die das Finanzamt gegenüber der GbR in deren gesamthänderisch gebundenes Vermögen vornimmt.
Normenkette
FGO § 114; COVInsAG
Streitjahr(e)
2020
Tatbestand
Die Antragsteller begehren im Wege der einstweiligen Anordnung die Einstellung von Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber der GbR.
Die Antragsteller sind Gesellschafter der GbR, die ein gepachtetes Gastronomieobjekt betrieb.
Der Antragsgegner beantragte unter dem 31. Oktober 2019 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GbR beim Amtsgericht – Insolvenzgericht – (im Folgenden: Insolvenzgericht).
Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 12. Dezember 2019 wurde unter dem Geschäftszeichen gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 Insolvenzordnung (InsO) die vorläufige Verwaltung des Vermögens der GbR angeordnet und der zunächst als Sachverständige bestellte Rechtsanwalt A zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 7. April 2020 wurde der GbR ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt und die Verfügungsbefugnis über ihr Vermögen ging auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. Gegen diesen Beschluss legte die GbR, hilfsweise die Gesellschafter der GbR, sofortige Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 18. Mai 2020 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GbR eröffnet und Rechtsanwalt A zum Insolvenzverwalter ernannt. Gegen diesen Beschluss legte die GbR ebenfalls sofortige Beschwerde ein.
Am 23. März 2020 beantragte die GbR beim Finanzamt (im Folgenden: Antragsgegner) u.a. die Einstellung der ihr gegenüber vorgenommenen Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF-Schreiben) vom 19. März 2020 mit dem Aktenzeichen IV A 3-S 0336/19/10007:002. Dieses Schreiben habe die steuerlichen Maßnahmen zur Berücksichtigung der Auswirkungen des Coronavirus zum Inhalt. Mit Schreiben vom 27. März 2020 teilte der Antragsgegner mit, dass lt. der Anweisung des Hessischen Ministeriums der Finanzen vom 19. März 2020, welche sich auf das BMF-Schreiben beziehe, für die vor der Corona-Krise gestellten Insolvenzanträge keine Veranlassung bestehe, diese Anträge zurückzunehmen, da davon ausgegangen werden könne, dass die Zahlungsunfähigkeit des Vollstreckungsschuldners bereits vor Ausbruch der Corona-Krise vorgelegen habe.
Im Rahmen der nun vorliegenden einstweiligen Anordnung tragen die Antragsteller vor, dass der Antragsgegner ihnen gegenüber die Vollstreckung betreibe, insbesondere durch Kontenpfändung und Insolvenzantragstellung.
Sie sind der Auffassung, dass die Voraussetzungen gemäß Nr. 3 des BMF-Schreibens erfüllt seien. Danach solle das Finanzamt bei Kenntnis der unmittelbaren und nicht unerheblichen Betroffenheit des Vollstreckungsschuldners bis zum 31. Dezember 2020 von Vollstreckungsmaßnahmen bei allen rückständigen oder bis zu diesem Zeitpunkt fällig werdenden Steuern absehen. Da Unternehmensgegenstand der GbR die Gastronomie gewesen sei, habe sie infolge der Coronapandemie schließen müssen. Auch habe sich der Insolvenzverwalter aufgrund der Pandemie außerstande gesehen, Sanierungsoptionen zu prüfen.
Das Insolvenzverfahren verfehle somit als Vollstreckungsmaßnahme seinen Zweck und diene rechtsmissbräuchlich allein der Existenzvernichtung. Demgegenüber hätten sie, die Antragsteller, entscheidende Maßnahmen zur wirtschaftlichen Rettung unternommen. So hätten sie die Löhne und Gehälter bis zur coronabedingten Schließung des Gastronomiebetriebs bezahlt, für den notwendigen Versicherungsschutz des Gastronomiebetriebs Sorge getragen und die Mikrodarlehen aus dem zweckgebundenen Förderprogramm Hessen-Mikroliquidität beantragt. Die Darlehensgewährung sei indes an dem Insolvenzverfahren gegen die GbR, deren persönlich haftende Gesellschafter sie seien, gescheitert.
Ihr Rechtschutzbedürfnis würde auch unabhängig vom Beschluss über die Insolvenzeröffnung vom 18. Mai 2020 bestehen, da dieser Beschluss noch nicht rechtskräftig sei.
Die Antragsteller beantragen,
dem Antragsgegner die Einstellung der Vollstreckungsmaßnahmen im Hinblick auf alle rückständigen und bis zum 31. Dezember 2020 fälligen Steuern unter Verzicht auf gesetzlich anfallende Säumniszuschläge im Zeitraum 19. März 2020 bis zum 31. Dezember 2020 aufzugeben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Auffassung, dass der Antr...