rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rollenbezogene Auslegung der Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs durch Steuerberater
Leitsatz (redaktionell)
Ein Steuerberater ist bei einer im eigenen Namen erhobenen Klage nicht nach § 52d Satz 1 FGO zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs verpflichtet (rollenbezogene Auslegung des § 52d FGO.
Normenkette
FGO § 52d s
Streitjahr(e)
2015, 2020
Tatbestand
[kein gesonderter Tatbestand}
Entscheidungsgründe
1. Die Beteiligten haben übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt. Dem steht nicht entgegen, dass die Erledigungserklärung des ausweislich der Einkommensteuererklärung als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater tätigen Klägers nicht elektronisch im Sinne von § 52a der Finanzgerichtsordnung (FGO), sondern durch ein Telefaxschreiben übermittelt wurde. Der beschließende Berichterstatter ist entgegen der für die einzelnen Verfahrensordnungen teilweise vertretenen statusbezogenen Ansicht (vgl. zum Stand der Rechtsprechung z. B. Biallaß in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 2. Aufl., § 130d ZPO (Stand: 14.04.2023), Rz. 14) der Auffassung, dass ein Steuerberater oder Rechtsanwalt in eigenen Angelegenheiten nur bei Anwalts- bzw. vergleichbarem Vertretungszwang und damit nicht im erstinstanzlichen Verfahren vor den Finanzgerichten zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs nach § 52d FGO verpflichtet ist (rollenbezogene Ansicht).
a) Gemäß § 52d Satz 1 FGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Nach § 52d Satz 2 FGO gilt gleiches für die nach der FGO vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 FGO zur Verfügung steht. Zu den nach der FGO vertretungsberechtigten Personen gehören auch Steuerberater (§ 62 Abs. 2 Satz 1 FGO). Jedem Steuerberater steht seit dem 01.01.2023 mit dem besonderen Steuerberaterpostfach auch ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11. August 2023 – VI B 74/22 –, juris).
b) Diese in § 52d FGO bestimmte Nutzungspflicht ist im Ergebnis eine von Amts wegen zu beachtende Formvorschrift für rechtswirksame Prozesshandlungen, die der Schriftform bedürfen, und gilt auch für die schriftliche Erledigungserklärung. Denn eine Erledigungserklärung kann nur in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden (§ 155 FGO in Verbindung mit § 91a Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO); vgl. BFH, Urteil vom 19. Februar 2009 – IV R 97/06 –, BFHE 224, 385, BStBl II 2009, 542).
c) Diese Formvorschrift gilt gleichwohl nicht für die – wie schon die Klage – nur als
Telefax eingereichte durch den Kostenantrag konkludent abgegebene Erledigungser-klärung des Klägers im Schreiben vom 16.10.2023, weil nach Auffassung des hier beschließenden Berichterstatters die Nutzungspflicht für im eigenen Namen geführte erstinstanzliche finanzgerichtliche Verfahren nicht besteht (sog. rollenbezogene Nutzungspflicht).
aa) Der Wortlaut des § 52d FGO – insbesondere des Satzes 1 – spricht zwar eher dafür, dass § 52d FGO an den beruflichen Status des Einreichers anknüpft und es daher für die Anwendbarkeit der Formvorschrift nicht zusätzlich darauf ankommt, ob der Schriftsatz im Rahmen des Berufs im fremden Namen (also als Bevollmächtigter) eingereicht wird (sog. statusbezogene Nutzungspflicht). Für Satz 2 ist schon dies hingegen nicht eindeutig, weil die Pflicht gerade an die Vertretungsberechtigung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO anknüpft, und dies wiederum eher dafür spricht, dass der Gesetzgeber die Handlung als Bevollmächtigter vor Augen hatte.
bb) Jedenfalls sind aber nach Sinn und Zweck der Regelung Verfahren im eigenen
Namen nicht von der Nutzungspflicht des § 52d FGO umfasst. Dafür spricht bereits, dass bei im eigenen Namen erhobenen finanzgerichtlichen Klage mangels grundsätz-lichen Vertretungszwang die Bestellung zum Rechtsanwalt oder Steuerberater nicht anzugeben ist. Auch der Kläger im vorliegenden Verfahren hat in seinen Schriftsätzen nicht angegeben, dass er Steuerberater ist. Dies ist vielmehr „nur“ aus den vom Be-klagten vorgelegten Einkommensteuerakten und der dort abgelegten Einkommensteuererklärung ersichtlich. Es ist jedoch nicht sachgerecht, eine von Amts wegen zu beachtende Formvorschrift davon abhängig zu machen, ob eine nicht ohne weiteres erkennbare Fallgestaltung vorliegt. Dass die vorzulegenden Steuerakten Angaben dazu enthalten, ist nicht stets der Fall. Auch müssen die Steuerakten mitunter – etwa im Fall der Rücknahme – mitunter gar nicht (mehr) vorgelegt werden. Die insoweit von Amts wegen gebote...