rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorliegen eines Veräußerungsgeschäftes bei Austritt eines Gesellschafters aus einer Kapitalgesellschaft – Realisierung eines Veräußerungsverlustes bei Auflösung einer Kapitalgesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
- Die Austrittserklärung eines Steuerpflichtigen reicht steuerlich zum Ausscheiden aus einer Kapitalgesellschaft jedenfalls dann nicht aus, wenn die Satzung der Kapitalgesellschaft keine Regelungen enthält, aus der sich ergibt, dass mit Zugang der Austrittserklärung bereits über die Gesellschafterrechte verfügt wurde.
- In der satzungsmäßigen Verpflichtung des austretenden Gesellschafters, den Anteil – nach Weisung der Gesellschaft – abzutreten oder deren Einziehung zu dulden, kommt nicht zum Ausdruck, dass der Kläger bereits alleine mit der Abgabe der Austrittserklärung seine Gesellschafterstellung verliert.
- Zum Vollzug des Austritts aus der die Gesellschaft bedarf es in diesen Fällen vielmehr der Einziehung der Anteile durch die Gesellschaft oder der Benennung eines Abtretungsempfängers.
- Enthält der Gesellschaftsvertrag eine vertraglich eingeräumtes Recht zum zeitlich befristeten Rücktritts vom Gesellschaftsanteilskaufvertrag gegen Rückzahlung der ursprünglich erbrachten Einlage, verwandelt sich das ursprüngliche Anschaffungsgeschäft bei Erklärung des Austritts binnen der eingeräumten Frist lediglich in ein Abwicklungsverhältnis, sodass keine Veräußerung im Sinne des § 23 EStG vorliegt.
- Sind dem Gesellschafter bei Rücktritt vom Anteilskauf durch Verluste der Gesellschaft die Anschaffungskosten auf seine Beteiligung verloren gegangen, handelt es sich bei dem erlittenen Verlust um Verluste im Sinne des § 17 EStG.
- Bei zivilrechtlicher Auflösung einer Kapitalgesellschaft ist Voraussetzung für das Entstehen eines Auflösungsverlustes im Sinne des § 17 EStG, dass der beteiligte Gesellschafter nicht mehr mit Zuteilungen oder Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen rechnen konnte und auch feststand, ob und in welcher Höhe dem Gesellschafter noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Veräußerung- oder Aufgabekosten entstehen werden.
- Der Realisationszeitpunkt für das Entstehen eines Auflösungsverlustes kann im Falle einer Insolvenz ausnahmsweise vor Abschluss der Liquidation der Gesellschaft liegen, wenn auf der Ebene der Gesellschaft aufgrund des Inventars und der Konkurseröffnungsbilanz oder einer zwischen Rechnungslegung ohne weitere Ermittlungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheint.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 2, §§ 23, 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 4
Streitjahr(e)
2003
Tatbestand
Strittig ist, ob zugunsten der Kläger ein Verlust nach § 17 EStG zu berücksichtigen ist.
Die verheirateten Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit notariellem Vertrag vom 29.11.2001 erwarb der Kläger einen Geschäftsanteil an der A GmbH – deren Stammkapital 140.000,- DM betrug – von nominal 24.000,- DM zu einem Kaufpreis von 1.000.000,- DM mit Wirkung zum 01.01.2002. Neben der GmbH und dem Kläger waren noch zwei weitere Gesellschafter am Stammkapital beteiligt. Der Kläger wurde zudem mit Wirkung zum 01.01.2002 zum Geschäftsführer bestellt. Im Zuge dieses Vertrages wurde zudem § 10 Abs.4 des Gesellschaftsvertrages – auszugsweise – wie folgt gefasst:
„Scheidet der Neugesellschafter … bis einschließlich zum 31.12.2004 aus der Gesellschaft aus, gleich aus welchen Gründen, erhält er für seine Geschäftsanteile in Höhe von DM 24.000,00 (Euro …) einen Betrag in Höhe von DM 1.000.000,00 (Euro…). Mit Wirksamkeit seines Austritts hat er somit Anspruch auf Rückzahlung in Geld seiner ursprünglichen Einlage und Anschaffungskosten der Beteiligung in Höhe von DM 1.000.000,00 (Euro …). … Der derzeitige Mehrheitsgesellschafter … garantiert ordnungsgemäße Zahlung. Dieses wird durch eine gesonderte Bürgschaftsvereinbarung besichert.
Nachdem der Kläger zur Auffassung gelangt war, über die finanzielle und wirtschaftliche Situation der GmbH getäuscht worden zu sein, legte er mit Wirkung zum 30.01.2002 sein Geschäftsführeramt nieder und erklärte seinen Austritt aus der GmbH und hilfsweise die Anfechtung des Anteilskaufvertrages. In der Folgezeit erhielt der Kläger keinerlei Rückzahlungen auf den geleisteten Kaufpreis, weder von der GmbH noch von dem bürgenden Mehrheitsgesellschafter. Die GmbH hat den Geschäftsanteil des Klägers zudem weder eingezogen noch Weisung zur Abtretung erteilt. Am 29.10.2003 verurteilte das OLG den Mehrheitsgesellschafter (Az. …) im Hinblick auf die abgegebene Bürgschaft zur Zahlung der 1.000.000,- DM an den Kläger. Hierbei vertrat das OLG die Rechtsauffassung, der Kläger sei mit der Austrittserklärung wirksam aus der Gesellschaft ausgetreten, weil sich aus § 8 Abs.2 und § 10 Abs.2 der Satzung ergebe, dass es insoweit keiner Einziehung no...