Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung des Eigenverbrauchs – Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen
Leitsatz (redaktionell)
- Die Aufwendungen für den Kauf eines Mercedes Roadsters 320 SL als Zweitfahrzeug im Zusammenhang mit der Betriebseröffnung sind grundsätzlich unangemessen, wenn der Steuerpflichtige in seinem Fragebogen zur Betriebseröffnung nur einen jährlichen Umsatz von 50.000 DM und einen Gewinn von 3000 DM erklärt.
- Die Besteuerung des Eigenverbrauchs auf der Grundlage des § 1 Abs. 1 Nr. 2c UStG verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht.
- Die 1% Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG ist für das Umsatzsteuergesetz grundsätzlich kein geeigneter Maßstab, um die Kosten zwischen Privatfahrten und die unternehmerischen Fahrten aufzuteilen.
- Ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt, bestimmt sich nicht nach nationalen ertragssteuerlichen Kriterien, sondern unter Berücksichtigung der Regelung in der 6. EG-Richtlinie. Danach liegt eine Geschäftsveräußerung im ganzen vor, wenn eine organisatorische Zusammenfassung von Sachen und Rechten übertragen wird, die dem Erwerber die Fortführung des Unternehmens oder eines in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Teils ohne großen finanziellen Aufwand ermöglicht.
- Dazu ist es nicht erforderlich, dass die dem Unternehmen dienenden Grundstücke übereignet werden. Vielmehr reicht es aus, dass die übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes bilden, um die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen.
- Das Bestehen eines Raumsicherungsvertrages steht einer Übertragung der Verfügungsmacht nicht entgegen.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 5 Nr. 7, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2; UStG § 1 Abs. 1a, § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Streitjahr(e)
1995
Tatbestand
Strittig sind Grund und Höhe der Eigenverbrauchsbesteuerung für einen dem Unternehmensvermögen zugeordneten Pkw sowie der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb von Fahrzeugen und Inventar laut den Rechnungen vom 30.04.1995.
Die am 21.04.1927 geborene Klägerin meldete am 25.04.1995 als „Neuerrichtung des Betriebes” einen Handel mit Kraftfahrzeugen und Ersatzteilen und Rohstoffhandel an. Das Gewerbe wird auf einem Grundstück ausgeübt, das seinerzeit im Buchteilseigentum ihrer Söhne A und B stand. Als Beginn ihrer gewerblichen Tätigkeit gab die Klägerin den 01.05.1995 an. Ihren voraussichtlichen Umsatz in den ersten zwölf Monaten schätzte sie auf ca. 50.000,-- DM und ihren voraussichtlichen Gewinn auf ca. 3.000,-- DM.
Von ihrem Sohn A, der zuvor an gleicher Stelle eine Kfz-Handlung betrieben hatte und dort in der Nähe auch wohnt, erwarb die Klägerin laut den am 30.04.1995 ausgestellten Rechnungen:
a) Maschinenpark, Werkstattausrüstung, Büro- und Lagerausstattung nebst gebrauchten Teilen, Motoren, Schrott und Schrottfahrzeugen für 30.000,-- DM + 4.500,-- DM USt;
b) einen DB TD-Turbo für 10.000,-- DM + 1.500,-- DM USt;
c) Mehrere gebrauchte Fahrzeuge nebst Anhängern für 99.800,-- DM + 14.970,-- DM USt.
Daneben kaufte sie von ihrem Sohn 28 Pkw – überwiegend der Marke Daimler Benz – unter Anwendung der Differenzbesteuerung (§ 25a UStG).
Über die Gesamtsumme der Kaufpreise von 273.420,-- DM schlossen die Klägerin und ihr Sohn A am 29.04.1995 einen Kreditvertrag (Bl. 31 Gerichtsakte). Danach sollte die Klägerin den Kredit im Rahmen ihrer Möglichkeiten bzw. durch Aufnahme eines Darlehens bei der Sparkasse C tilgen. Für 1995 war Zinslosigkeit vereinbart. Nach dem Willen der Parteien diente der Vertrag ausschließlich dem Zweck, die Verbindlichkeiten des A bei der Sparkasse C abzulösen, da alle Fahrzeuge und Waren an diese sicherungsübereignet waren.
Die Klägerin, die selbst keinen Führerschein besitzt, erwarb am 26.09.1995 ab Werk (Rechnung vom 16.11.1995) einen am 13.03.1995 noch von ihrem Sohn A für sein Unternehmen bestellten Mercedes Benz SL 320 Roadster zu einem Kaufpreis von 133.695,00 DM + 20.054,25 DM Umsatzsteuer (brutto 153.749,25 DM). Das Fahrzeug überließ sie ihrem Sohn A zur Nutzung.
In ihrer Umsatzsteuererklärung 1995 vom 01.07.1996 gab die Klägerin Umsätze von 76.734,-- DM an und machte Vorsteuern von 45.464,87 DM geltend. Hieraus errechnete sie sich einen Vorsteuerüberhang von 33.954,73 DM. Unter Berücksichtigung der im Voranmeldungsverfahren bereits erstatteten 33.774,45 DM führte dies zu einem Unterschiedsbetrag von 180,28 DM. Das FA stimmte der Umsatzsteuererklärung zu und erstattete den Restbetrag.
Eine in der Zeit vom 30.10.1996 bis zum 18.12.1996 durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung ergab folgende Feststellungen:
a) Tz 10: Fahrzeugüberlassung an Arbeitnehmer
Der im September 1995 gelieferte Mercedes 320 SL Roadster stehe dem bei der Klägerin angestellten Sohn (A) auch für Privatfahrten zur Verfügung. Daher liege ein steuerbarer Umsatz im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1b) UStG vor. Die Bemessungsgrundlage ermittelte der Prüfer auf der Grundlage eines abgerundeten Anschaffungspreises von 153.700,-- DM nach der 1%-Regelung, da ein Fahrtenbuch nicht geführt worden sei.