rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung bei Fristversäumung einer Antragsveranlagung
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Steuerpflichtiger der ausschließlich Versorgungsbezügen im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG bezieht und bei dem die Lohnsteuer gem. § 38c Abs. 2 EStG nach der besonderen (gekürzten) Lohnsteuertabelle erhoben wird, ist nicht von Amts wegen zu veranlagen.
- Die bloße Unkenntnis von der Ausschlussfrist des § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 EStG bzw. vom Unterschied zwischen Amts- und Antragsveranlagung ist nicht geeignet, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu begründen.
- Ein nicht entschuldbarer Irrtum über den Fristablauf liegt auch vor, wenn die Fristgebundenheit des Antrags sich zwar nicht aus dem Antrag selbst oder aus einem amtlich individuellem Schreiben, wohl aber aus der Anleitung zur Einkommensteuererklärung ergibt.
Normenkette
EStG § 46 Abs. 2 S. 1 Nr. 8, Abs. 2 Nr. 3, § 10c Abs. 3; AO § 110
Streitjahr(e)
1999
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt - FA -) verpflichtet ist, die Klägerin für den Veranlagungszeitraum 1999 zur Einkommensteuer zu veranlagen.
Die Klägerin ist pensionierte Lehrerin, die aus ihrer früheren Tätigkeit Versorgungsbezüge bezieht und Verluste aus Vermietung und Verpachtung geltend macht. Die Einkommensteuererklärung für das Jahr 1999 ging am 16.4.2002 beim FA ein. Unter dem 29.8.2002 erließ das FA eine Nichtveranlagungsverfügung, mit der es wegen Versäumung der Antragsfrist die Veranlagung zur Einkommensteuer 1999 ablehnte.
Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führte sie an, die Einhaltung der Frist sei ihr wegen physischer Einflüsse (Erkrankung), ihres Alters und ihrer steuerlicher Unerfahrenheit nicht möglich gewesen. Nach dem beigefügten ärztlichen Attest bestand im Sommer und Herbst 2001 eine deutlich eingeschränkte Leistungsbreite bezüglicher steuerlicher Termine. Außerdem habe sie sich in einem unverschuldeten Rechtirrtum über den Lauf der Frist befunden, weil sie angenommen habe, das FA werde sie an die Abgabe der Steuererklärung erinnern. Hilfsweise beantrage sie eine Veranlagung von Amts wegen gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 3 EStG.
Das FA lehnte die Wiedereinsetzung ab und wies den Einspruch mit der Einspruchsentscheidung vom 6.11.2002 als unbegründet zurück: Eine Amtsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 3 ESG scheide aus, weil die Lohnsteuer nicht – auch nicht zeitweise – nach der allgemeinen, sondern nach der besonderen Lohnsteuertabelle einbehalten worden sei und für eine Antragsveranlagung sei die Ausschlussfrist versäumt worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne wegen verschuldeter Fristversäumnis nicht gewährt werden. Die Klägerin habe es unterlassen, den im „Kleinen Ratgeber für Lohnsteuerzahler 1999” enthaltenen Hinweis auf die Antragsfrist bis zum 31.12.2001 zu beachten. Außerdem ergebe sich aus Seite 1 der Anleitung zur Einkommensteuererklärung 1999, dass die Abgabefrist für die Einkommensteuererklärung im Falle einer Antragsveranlagung bis 31.12.2001 laufe und auf S. 2 dieser Anleitung sei ausgeführt: „Der Antrag auf Einkommensteuerveranlagung 1999 und der Antrag auf Arbeitnehmer-Sparzulage 1999 müssen bis zum 31.12.2001 beim FA eingegangen sein. Diese Frist kann nicht verlängert werden. Nach dem 31.12.2001 eingehende Anträge muss das FA ablehnen”. Auch das ärztliche Attest rechtfertige keine Wiedereinsetzung, weil davon ausgegangen werden müsse, dass die Klägerin trotz der testierten Einschränkungen in der Lage gewesen sei, die Antragsfrist zu wahren oder zur Wahrnehmung ihrer steuerlichen Angelegenheiten einen Vertreter zu bestellen. Dies ergebe sich daraus, dass sie nach den vorliegenden Spendenbelegen am 27.12.2001 und am 28.12.2001 in der Lage gewesen sei, entsprechende Zahlungen zu tätigen.
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter und trägt zur Begründung vor:
a) Als steuerlich Unerfahrene habe sie weder den Unterschied zwischen Pflicht- und Antragsveranlagung noch die Ausschlussfrist zum 31.12.2001 gekannt. Es liege ein Rechtsirrtum vor, der als Wiedereinsetzungsgrund anerkannt sei.
b) Außerdem habe sie darauf vertraut, dass das FA sie - wie in früheren Jahren - an die Abgabe der Einkommensteuererklärung erinnern werde.
c) Sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Ratgeber für Lohnsteuerzahler und die Anleitung zur Einkommensteuererklärung 1999 durchzulesen. Für Steuerpflichtige bestehe lediglich die Verpflichtung zur Kenntnisnahme amtlich-individueller Schreiben (BFH-Urteil vom 10.9.1986, BStBl II 1986, 908).
d) Unter Verstoß gegen § 91 Abs. 1 AO habe das FA sie vor Erlass der Verfügung über die Nichtveranlagung nicht gehört. Damit sei der Verwaltungsakt ohne Heilungsmöglichkeit rechtswidrig. Bei rechtzeitiger Anhörung, die - so die Klägerin in der mündlichen Verhandlung - Ende November 2001 habe ...