Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers für abzuführende Lohnsteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist der Geschäftsführer nicht in der Lage, sich innerhalb der Gesellschaft durchzusetzen und seiner Rechtsstellung gemäß zu handeln, muss er, um sich der Haftung des gesetzlichen Vertreters zu entziehen, als Geschäftsführer zurücktreten und darf nicht im Rechtsverkehr den Eindruck erwecken, als sorge er für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte.
2. Wirkt jemand als Berater maßgebend an der Sanierung des Unternehmens mit, reicht dies nicht zur Begründung eines faktischen Geschäftsführerverhältnisses aus, selbst wenn er durch seine Anwesenheit in Unternehmen den Geschäftsablauf überwacht und im Einzelfall Weisungen an die Mitarbeiter erteilt.
Normenkette
AO § 34 Abs. 1, §§ 69, 191 Abs. 1, § 35
Streitjahr(e)
1997
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger zu Recht als Geschäftsführer einer GmbH mit Haftungsbescheid für rückständige Steuerforderungen in Anspruch genommen wurde.
Der Kläger war zusammen mit seinem Bruder H. G. F. (vgl. insoweit Parallelverfahren 13 K 805/03) seit dem 21.03.1997 Geschäftsführer der Land-Molkerei H. GmbH. Über das Vermögen dieser Gesellschaft wurde am 21.11.1997 das Konkursverfahren eröffnet. Mit Beschluss des Amtsgerichts M. vom 06.09.2001 wurde das Konkursverfahren mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt.
Mit Haftungsbescheid vom 04.06.2002 wurde der Kläger für Abgabenrückstände der GmbH in Anspruch genommen. Ausweislich einer Anlage zum Haftungsbescheid handelt es sich um Lohnsteuerrückstände einschließlich Nebenabgaben für den Zeitraum von März bis November 1997 in Höhe von insgesamt 17.977,84 €. Das Finanzamt stützt die Haftungsinanspruchnahme darauf, dass für den Zeitraum März bis November 1997 die Lohnsteueranmeldungen verspätet eingereicht worden und die von den Arbeitslöhnen der Arbeitnehmer der GmbH einbehalten Lohnsteuerabzugsbeträge nicht an das Finanzamt abgeführt worden seien. Als Geschäftsführer der GmbH sei der Kläger als deren Vertreter jedoch verpflichtet gewesen dafür zu sorgen, dass diese steuerlichen Verpflichtungen erfüllt würden. Dieser Verpflichtung sei er nicht nachgekommen. Der Kläger habe grobfahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich gehandelt. Soweit der Kläger mit der Erledigung der steuerlichen Pflichten Hilfskräfte beauftragt habe, bestehe nach der Rechtsprechung seitens des Geschäftsführers die Verpflichtung zur laufenden Überwachung und Kontrolle. Auch dem sei der Kläger nicht nachgekommen. Da die Abgabenrückstände auch durch Beitreibungsmaßnahmen bei der GmbH nicht realisiert werden konnten, sei der Kläger nach pflichtgemäßem Ermessen als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen. Da für die GmbH zwei Geschäftsführer bestellt gewesen seien, sei ein gleich lautender Haftungsbescheid auch gegen den zweiten Geschäftsführer erlassen worden.
Hiergegen hat der Kläger, vertreten durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten, Einspruch eingelegt, der trotz Aufforderung nicht begründet wurde.
Vor Erlass des Haftungsbescheides hat sich der Kläger über seinen Bevollmächtigten jedoch wie folgt eingelassen:
Zutreffend sei, dass er Geschäftsführer der GmbH gewesen sei. Dies sei jedoch nur formaler Natur gewesen. Er habe keine Möglichkeit gehabt, Einfluss auf die geschäftlichen Geschicke der Gesellschaft zu nehmen, insbesondere auch Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Hintergrund sei gewesen, dass auf Betreiben der Hausbank der Gesellschaft, der Sparkasse M.–B., ein „Sanierer” der in geschäftlichen Schwierigkeiten steckenden GmbH, ein Herr K., eingesetzt worden sei. Herr K. sei für eine R.W. F. & Partner GmbH aus M. tätig gewesen sei. Herr K. habe im Betrieb einen eigenen Mitarbeiter eingesetzt, der angewiesen gewesen sei, sämtlichen Postverkehr sofort an den „Sanierer” bzw. eine Anwaltskanzlei weiterzuleiten. Er, der Kläger, habe somit keinerlei Möglichkeit gehabt, Geschäftsunterlagen zu sondieren, sich über die geschäftliche Situation zu informieren oder konkrete Maßnahmen der Geschäftsführung zu ergreifen. Auch sei sämtlicher Zahlungsverkehr über Herrn K. abgewickelt worden. Hinsichtlich der steuerlichen Angelegenheiten sei auch „im Rahmen der tatsächlichen Möglichkeiten” eine Überwachung des Herrn K. erfolgt. Die steuerlichen Angelegenheiten seien auf dessen Weisung von der Lohnbuchhaltung erledigt worden. Gegenüber dem Kläger habe Herr K. telefonisch die ordnungsgemäße Abwicklung bestätigt. Eine tatsächliche Überprüfung der Zahlungen sei nicht möglich gewesen, da nach Weisung der Sparkasse M.-B. ein Zugriff zu den Geschäftskonten und Kontounterlagen lediglich Herrn K. oblag. Bei dieser Situation habe der Kläger davon ausgehen können und müssen, dass der „Sanierer” K. seinen Aufgaben gerecht werde. Eine Pflichtverletzung als Geschäftsführer in Form einer fehlenden Überwachung liege somit nicht vor.
Das Finanzamt folgte dem nicht und wies mit Einspruchsentscheidung vom 04.02.2003 den ...