Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösung einer Gesellschaft bei Widerruf des Auflösungsbeschlusses
Leitsatz (redaktionell)
1. Neben der zivilrechtlichen Auflösung einer Kapitalgesellschaft ist weitere Voraussetzung für die Entstehung eines Auflösungsverlustes i.S.v. § 17 EStG, dass der wesentlich beteiligte Gesellschafter nicht mehr mit Zuteilungen oder Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen rechnen konnte und feststand, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Veräußerungs- oder Aufgabekosten anfallen werden.
2. Wenn noch nicht mit der Vermögensverteilung begonnen wurde, kann eine Liquidation nach erfolgtem Auflösungsbeschluss regelmäßig durch - grundsätzlich formfreien - Fortsetzungsbeschluss rückgängig gemacht werden. Ein solcher Fortsetzungsbeschluss ist jedoch nur zulässig, wenn zumindest keine Überschuldung im Sinne des § 63 GmbHG vorliegt.
Normenkette
GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 2, § 63; EStG § 17 Abs. 1
Streitjahr(e)
1998, 1999
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war Geschäftsführer und mit 7.500,- DM am Stammkapital von 60.000,- DM der 1992 gegründeten A GmbH neben sieben weiteren Gesellschaftern beteiligt. Die Geschäfte der GmbH entwickelten sich negativ. Nach dem Tode eines der Gesellschafter erwarb der Kläger am 29.06.1996 einen weiteren Geschäftsanteil von 1.000,- DM. Nach einem vorläufigen Vermögensstatus zum Juni 1996 ergab sich zu diesem Zeitpunkt für die GmbH eine Überschuldung von ca. 190.000,- DM. In der Gesellschafterversammlung am 29.06.1996 beschlossen die Gesellschafter daher einstimmig, die A-GmbH aufzulösen, nachdem der Kläger als Geschäftsführer die GmbH bereits zum 31.12.1995 beim Gewerbeamt und der IHK abgemeldet hatte. Der Kläger, der sich für die Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber der Bank verbürgt hatte, wurde zum Liquidator der GmbH bestimmt. Der Liquidationsbeschluss wurde im Juli 1996 in das Handelsregister eingetragen. Die Bilanz der GmbH zum 31.12.1996 wies als Aktivvermögen nur noch Umlaufvermögen in geringem Umfang aus.
Am 15.01.1997 fand eine weitere Gesellschafterversammlung statt. Hierbei beschlossen die Gesellschafter, dass die Liquidation der Gesellschaft nicht weiter verfolgt werden solle und der Kläger den Auftrag erhalte, die Gesellschaft weiterzuführen und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Dieser Beschluss wurde nicht im Handelsregister eingetragen.
Im Februar und März 1997 schrieb der Kläger mehrere Firmen an, um mit diesen in Geschäftsverbindung zu treten. Geschäftsbeziehungen kamen nicht zustande. Umsatzerlöse wurden ab 1996 keine mehr erzielt.
Am 11.12.1998 erwarb der Kläger mit notariellem Vertrag die Geschäftsanteile der übrigen sechs Gesellschafter für jeweils 1,- DM.
Am 02.12.1999 beschloss der als alleiniger Gesellschafter verbliebene Kläger in einer Gesellschafterversammlung erneut die GmbH aufzulösen. Zum 31.12.2000 wurde für die GmbH eine Liquidationsschlussbilanz erstellt. Am 19.02.2002 wurde die Beendigung der Liquidation und das Erlöschen der GmbH im Handelsregister eingetragen.
In der am 27.02.2001 für das Jahr 1999 eingereichten Einkommensteuererklärung begehrte der Kläger die Berücksichtigung eines Verlustes aus der Auflösung bei der A-GmbH in Höhe von 210.213,- DM, resultierend aus dem Verlust der Stammeinlage von 8.500,- DM, der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft von 192.392,52 DM und der Übernahme der Kosten für die Jahresabschlüsse der GmbH für 1996 bis 1999 von 9.321,30 DM (in Rechnung gestellt ab 02/1999).
Am 06.04.2001 erließ das beklagte Finanzamt unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 der Abgabenordnung - AO - einen Einkommensteuerbescheid für 1999, in dem es den Verlust berücksichtigte und die Einkommensteuer auf 0,- DM festsetzte. Mit Bescheid vom 15.05.2001 wurde der verbleibende Verlustvortrag zum 31.12.1999 festgestellt, nachdem der Einkommensteuerbescheid 1998 vom 07.09.2000 am 09.05.2001 durch einen Verlustrücktrag des Verlustes aus Gewerbetrieb von 38.240,- DM geändert worden war. Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der Klägerin, die einen Einzelhandel betrieb, kam der Betriebsprüfer zur Auffassung, der Verlust des Klägers aus seiner im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung an der A-GmbH sei nicht nach § 17 des Einkommensteuergesetzes - EStG - zu berücksichtigen. Das beklagte Finanzamt folgte dem und erließ am 04.09.2003 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 1999. Ferner hob es am 04.09.2003 den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustes zum 31.12.1999 auf und erließ am 20.08.2003 nach § 10d Abs. 1 Satz 5 EStG geänderten Einkommensteuerbescheid 1998, in dem es den Verlustrücktrag rückgängig machte. Gegen die vorgenannten Bescheide erhoben die Kläger am 12.09.2003 Einspruch, den das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 19.08.2004, zur Post gegeben am 25.08.2004, zurückwies. Hiergegen richtet sich die am 24.09.2004 e...