Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung im Restschuldbefreiungsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
- Im Restschuldbefreiungsverfahren ist die Aufrechnung grundsätzlich zulässig und nur in den eng begrenzten Fällen des § 294 Abs. 3 InsO ausgeschlossen.
- Der Erstattungsanspruch wegen überzahlter Lohnsteuer gehört nicht zum pfändbaren Arbeitseinkommen i.S. der §§ 850 ff. ZPO und nicht zu den Bezügen i.S. des § 287 Abs. 2 InsO.
Normenkette
AO § 226; InsO § 294 Abs. 3
Streitjahr(e)
2001
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob das Finanzamt (FA) gegenüber einem Erstattungsanspruch der Klägerin zur Aufrechnung befugt war.
Das Verbraucherinsolvenzverfahren gegen die Klägerin beim AG , Geschäftsnummer ..., wurde mit Beschluss vom 09.04.2001 aufgehoben. Das Insolvenzgericht kündigte die Restschuldbefreiung für die Klägerin an und legte die Wohlverhaltensperiode auf 5 Jahre fest und bestimmte zugleich einen Treuhänder.
Das FA veranlagte die Klägerin zur Einkommensteuer 2001. Aus der Veranlagung (Bescheid vom 22.03.2002) resultierte ein Guthaben von 1.566,42 EUR aus überzahlter Lohnsteuer. Dagegen rechnete das FA am 28.08.2002 mit Einkommensteuerrückständen des Klägers aus der ESt 1996 in Höhe von 608 EUR auf. Auf entsprechende Einwände der Klägerin erließ das FA am 27.12.2002 einen Abrechnungsbescheid, wonach jedenfalls der Erstattungsanspruch um 608 EUR gemindert wurde. Mit ihrem Einspruch vom 06.01.2003 gegen den Abrechnungsbescheid wandte sich die Klägerin gegen die Aufrechnung: Das FA sei Insolvenzgläubiger, da die Einkommensteuerforderung aus 1996, mit der aufgerechnet worden sei, im Insolvenzverfahren angemeldet worden sei. Für Insolvenzgläubiger gelte aber während der Wohlverhaltensperiode des Insolvenzschuldners gemäß § 294 Insolvenzordnung (InsO) ein allgemeines Vollstreckungsverbot, das auch zu einem Aufrechnungsverbot führe. Der Bescheid sei daher insoweit aufzuheben und der Erstattungsbetrag entsprechend an die Klägerin auszuzahlen. Den Einspruch wies das FA unter Hinweis auf eine Entscheidung des LG Koblenz als unbegründet zurück. Das FA sei nicht an der Aufrechnung gegen den Erstattungsanspruch gehindert gewesen.
Dagegen wendet sich die Klägerin unter Hinweis auf verschiedene Normen der InsO und hält daraus ableitend eine Aufrechnung während der Wohlverhaltensphase für generell unzulässig. So ergebe sich zum einen ein Aufrechnungsverbot bereits aus §§ 95, 96 InsO. Insbesondere sei aber § 294 InsO im Restschuldbefreiungsverfahren zu beachten. Dessen Abs. 1 enthalte für Insolvenzgläubiger ein Vollstreckungsverbot, das zugleich als allgemeines Aufrechnungsverbot i.S.v. § 384 BGB zu werten sei. Das Restschuldbefreiungsverfahren solle nämlich dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neuanfang ermöglichen. Zu diesem Zweck werde der Schuldner während der Treuhandperiode durch das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 vor Zugriffen seiner Gläubiger geschützt. Dem liefe es zuwider, wenn Gläubiger während der Treuhandperiode gegen Forderungen des Schuldners aufrechnen könnten. Die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen sei daher während der Treuhandperiode ausgeschlossen. Im Übrigen stehe der Erstattungsanspruch auch ihr zu und nicht etwa dem Treuhänder. Der Anspruch habe nicht zur Insolvenzmasse gehört; auch habe sie mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens am 10.04.2001 ihre Verfügungsgewalt wieder erlangt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 09.03.2003 und 12.04.2003 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Abrechnungsbescheid vom 27.12.2002 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 11.02.2003 dahingehend zu ändern, dass in Höhe von 608 EUR (ESt 1996) eine Verrechnung ihres Erstattungsanspruchs aus der Einkommensteuerveranlagung für 2001 nicht zulässig ist.
Das FA beantragt,
die Klage abweisen.
Das FA erachtet die Aufrechnung für zulässig und verweist zur Begründung im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung und den Beschluss des LG Koblenz vom 13.06.2000 2 T 162/00.
In dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 15.03.2005 wurde auch ausführlich die Verrechnung der ESt 1999 und ESt 2000 mit dem Erstattungsanspruch besprochen. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Die Klägerin schränkte danach ihren Antrag auf die Aufrechnung mit der ESt 1996 ein.
Dem Gericht lag ein Hefter Verwaltungsakten betreffend Abrechnung vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Erstattungsanspruch der Klägerin ist durch die wirksame Aufrechnung des Fa auch in Höhe von 608 EUR nach § 47 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 226 AO erloschen. Nach den maßgeblichen gesetzlichen Regelungen besteht während der Treuhandperiode kein Aufrechnungsverbot. Der Gesetzgeber hat nämlich in § 294 Abs. 3 InsO selbst die Grenzen der Aufrechnung im Restschuldbefreiungsverfahren bestimmt. Er verweist dort auf § 114 Abs. 2 Satz 2 InsO, der wiederum auf die §§ 96 Nr. 2 bis 4 ...