vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalertragsteuerpflicht der Dividendenerträge bei der Veräußerung von Dividendenscheinen durch einen beschränkt Steuerpflichtigen an eine im Ausland ansässige Person
Leitsatz (redaktionell)
1. Gewinne aus der Veräußerung von Dividendenscheinen und -ansprüchen gehören mangels Verweises in § 49 Abs. 1 Nr. 5a S. 2 EStG bei beschränkt Steuerpflichtigen seit der Einführung der Abgeltungssteuer nicht mehr zu den inländischen Einkünften.
2. Bei der in § 20 Abs. 2 Nr. 2 a EStG vorgesehenen Besteuerung des Veräußerungserlöses von Dividendenscheinen handelt es sich um eine Vorverlagerung der Besteuerung des Dividendenertrags aus dem Halten der Aktien (Surrogatsbesteuerung).
3. Mit dem Wegfall der Surrogatsbesteuerung und der fehlenden Verweisung auf § 20 Abs. 2 EStG in § 49 Abs. 1 Nr. 5a S. 2 EStG entfällt für einen beschränkt Steuerpflichtigen auch die nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 a S. 2 EStG bestehende Sperrwirkung der Norm.
4. Statt der vorverlagerten Besteuerung des Veräußerungserlöses aus dem Dividendenanspruch nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 a EStG wird die zugeflossene Dividende beim beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG versteuert, auf den § 49 Abs. 1 Nr. 5 a EStG auch ausdrücklich Bezug nimmt.
5. Die Verdrängungswirkung des § 20 Abs. 2 Nr. 2 a S. 2 EStG greift nur ein, wenn eine Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 a S. 1 EStG erfolgt.
6. Bei der Auslegung von Normen nach dem Willen des Gesetzgebers ist der tragende Grundsatz des Körperschaftsteuerrechts zu berücksichtigen, wonach die im Inland erwirtschafteten Körperschaftsteuergewinne einmal der deutschen Besteuerung zu unterwerfen sind. Einmal heißt dabei zum einen ”nicht mehrfach“, es heißt aber auch ”nicht unbesteuert lassen“.
7. Da der Gesetzgeber, hinter dem sich von Fall zu Fall unterschiedliche Personen verbergen, mehrere Möglichkeiten hat sein Anliegen zu formulieren und in Gesetzesform zu gießen, kann aus unterschiedlichen Formulierungen in einzelnen Normen regelmäßig noch nicht auf einen abweichenden Willen des Gesetzgebers geschlossen werden.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 2 Nr. 2 a S. 2, Abs. 1 Nr. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 5a S. 2
Streitjahr(e)
2013
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zum Einbehalt und zur Abführung von Kapitalertragsteuer verpflichtet ist und zwar für den Fall, dass derjenige, der im Ausland ansässig ist und für den die Klägerin am Dividendenstichtag in Deutschland börsennotierte Aktien verwahrt, seine Dividendenansprüche vor der Ausschüttung an einen im Ausland Ansässigen gegen Entgelt abtritt.
Die Klägerin ist …ein in Deutschland unbeschränkt körperschaftssteuerpflichtiges Kreditinstitut. Gegenstand des Unternehmens ist die Durchführung von Bankgeschäften aller Art…. Sie verwahrt und verwaltet auch Wertpapiere für andere und übt damit das Depotgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 KWG aus.
Die Klägerin verwahrte im April und Mai 2013 zu den jeweiligen Dividendenstichtagen für den Kunden (AB), ein in Großbritannien ansässiges Kreditinstitut in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft britischen Rechts, folgende Aktien: RWE AG (RWE), Volkswagen AG Vorzüge (VW), Münchner Rückversich. AG (MüRü), Bayer AG (Bayer), BASF SE (BASF), Porsche Automobilholding Vorzüge (Porsche), E.ON SE (E.ON), Adidas AG (Adidas), Allianz SE (Allianz), Bayerische Motoren Werke AG (BMW) und Deutsche Bank AG (DB). Die einzelnen Aktiengattungen umfassten die in der nachfolgenden Tabelle dargestellten Stückzahlen, auf die die angegebene Bruttodividende für an dem jeweiligen Dividendenstichtag gehaltene Aktien gezahlt wurde und die zu den angegebenen Zeitpunkten ins Depot ein- und ausgeliefert wurden:
Aktiengattung |
Aktienanzahl |
Bruttodividende |
Einlieferung |
Ex-Tag |
Auslieferung |
RWE |
Mio |
Mio. € |
08.04.2013 |
19.04.2013 |
23.04.2013 |
VW |
Mio |
Mio. € |
15.04.2013 |
26.04.2013 |
03.05.2013 |
MüRü |
Mio |
Mio. € |
15.04.2013 |
26.04.2013 |
03.05.2013 |
Bayer |
Mio |
Mio. € |
16.04.2013 |
29.04.2013 |
30.04.2013 |
BASF |
Mio |
Mio. € |
16.04.2013 |
29.04.2013 |
30.04.2013 |
Porsche |
Mio |
Mio. € |
19.04.2013 |
02.05.2013 |
03.05.2013 |
E.ON |
Mio |
Mio. € |
23.04.2013 |
06.05.2013 |
08.05.2013 |
Adidas |
Mio |
Mio. € |
26.04.2013 |
09.05.2013 |
10.05.2013 |
Allianz |
Mio |
Mio. € |
26.04.2013 |
08.05.2013 |
09.05.2013 |
BMW |
Mio |
Mio. € |
03.05.2013 |
15.05.2013 |
09.05.2013 |
DB |
Mio |
Mio. € |
13.05.2013 |
24.05.2013 |
24.05.2013 |
Die künftigen Dividendenansprüche veräußerte AB jeweils mit auf den Tag der Einlieferung in das Depot datierten Verträgen an die Londoner Niederlassung von (AC), einer Kapitalgesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaates…. Als Kaufpreis war zwischen 93 % und 97 % der zu erwartenden Bruttodividenden zu zahlen. Gleichzeitig wurde der Anspruch abgetreten. Sämtliche Verträge enthalten hinsichtlich der Zusicherungen durch die Klägerin identische Formulierungen. Die vom Beklagten vorgelegte und von einer Diplom-Übersetzerin angefertigte Übe...