vorläufig nicht rechtskräftig
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [VI R 88/10)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzugsvoraussetzungen für eine Kinderkur als Krankheitskosten
Leitsatz (redaktionell)
- Aufwendungen für eine Behandlung einer Krankheit dienende Kur sind nur dann als Krankheitskosten im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen abzugsfähig, wenn die Reise zur Heilung oder Linderung der Krankheit nachweislich notwendig und eine andere Behandlung nicht oder kaum erfolgversprechend erscheint.
- Die Notwendigkeit der Kurmaßnahme ist vor Antritt der Kur durch ein amts- oder vertrauensärztliches Zeugnis nachzuweisen.
- Zur Anerkennung eines Kuraufenthaltes von Kindern als Heilmaßnahme bedarf es zusätzlich der Unterbringung in einem Kinderheim, sofern nicht vor Antritt der Kur durch amtsärztliches Attest nachgewiesen wird, dass und warum der Kurerfolg ausnahmsweise auch bei einer anderweitigen Unterbringung erreicht werden kann.
- Auf eine solche Bescheinigung kann auch nicht verzichtet werden, wenn sich am avisierten Kurort kein Kinderheim befindet, es sei denn die amtsärztliche Bescheinigung enthält die Angabe eines konkreten Ortes zur Durchführung der Kur und eine hinreichende Begründung dafür, warum nur dieser Kurort die empfohlene Kur unterstützt.
- Die Notwendigkeit dem Steuerpflichtigen die Gelegenheit zu geben ein solches amtsärztliches Zeugnis nachträglich beizubringen oder zu ergänzen, besteht nicht, es sei denn die Rechtsprechung verlangt erstmals einen entsprechenden Nachweis durch amtsärztliches Attest.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1
Streitjahr(e)
2008
Nachgehend
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung von Kosten einer Begleitperson bei einer Kinderkur als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG).
Der Kläger ist alleinerziehender Vater eines an Neurodermitis und Asthma leidenden 15jährigen Kindes. Im Streitjahr machte er im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Kuraufenthalt seines Kindes an der … Mittelmeerküste in Höhe von insgesamt x.xxx,- € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Kosten wird auf die Anlage zum Mantelbogen (Bl. 5 der Einkommensteuerakte) Bezug genommen. Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit der entstandenen Kosten legte der Kläger u.a. folgende Unterlagen vor:
Ein Attest des Kinderarztes vom…Juni 2008, in dem dieser bestätigt, dass „jährliche heilklimatische Aufenthalte am Meer (in Begleitung des Vaters) zur Besserung des Krankheitsbildes beitragen” und er daher „einen dreiwöchigen Aufenthalt an der … Mittelmeerküste in den diesjährigen Sommerferien” empfiehlt. Des Weiteren eine amtsärztliche Bescheinigung vom…Juni 2008, in der es heißt: „Amtsärztlich wird (…) die kinderärztlich empfohlene heilklimatische Kur am Mittelmeer zur Erhaltung der Gesundheit bei vorliegendem Atopiesyndrom mit chronischer Neurodermitis sowie einem Exogen-allergischen Asthma Bronchiale für notwendig erachtet. … wird sich einer dreiwöchigen Kurmaßnahme in … an der … Mittelmeerküste zur Erhaltung der Gesundheit vom ...06 - ...07.2008 unterziehen.”
Im Rahmen der Veranlagung kürzte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) die Kosten der Unterbringung und den Verpflegungsmehraufwand um 50 %, insgesamt um x.xxx,- €. Es war der Ansicht, von den geltend gemachten Aufwendungen könnten lediglich die Kurkosten des Kindes anerkannt werden, da die Notwendigkeit einer Begleitperson aus der amtsärztlichen Bescheinigung nicht hervorgehe.
Gegen den Einkommensteuerbescheid vom…August 2009 legte der Kläger am…September 2009 Einspruch ein. Zur Begründung trug er – unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 2. April 1998 (II R 687/97, BStBl II 1998, 613) – vor, die Notwendigkeit der heilklimatischen Kur in … an der … Mittelmeerküste ergebe sich aus der vorgelegten amtsärztlichen Bescheinigung. Da sich dort kein Kinderheim befinde, erfordere die Betreuung seines damals 15jährigen Kindes die Begleitung eines Erziehungsberechtigten.
Mit seiner Entscheidung vom…Oktober 2009 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Nach der Rechtsprechung des BFH erfordere die Berücksichtigung von Kosten einer Begleitperson während einer medizinisch indizierten Kur als außergewöhnliche Belastungen grundsätzlich, dass die Notwendigkeit einer Begleitung durch ein vor Reiseantritt eingeholtes amtsärztliches Gutachten – oder eine gleichzustellende Bescheinigung – nachgewiesen werde (Urteil vom 17. Dezember 1997 BStBl II 1998, 298). Zwar könne die Begleitungsbedürftigkeit aufgrund feststehender objektiver Umstände offenkundig sein; beispielsweise bei einem Kuraufenthalt eines neunjährigen Kindes; ein solcher Einzelfall liege jedoch im Streitfall nicht vor. Vielmehr sei auch eine unbegleitete Auslandsreise eines 15jährigen Kindes – bei entsprechendem Reifegrad ...