Entscheidungsstichwort (Thema)
Neue Tatsache Entnahme eines bilanzierten Grundstücks
Leitsatz (redaktionell)
- Während der Abwicklungsphase einer Betriebsaufgabe liegt eine Überführung von Wirtschaftsgütern in das Privatvermögen dann vor, wenn die hierfür erforderliche Erklärung wie bei einer Entnahmehandlung eindeutig und klar nach außen für einen Dritten erkennbar dokumentiert wird.
- Solange noch eine Veräußerung der Wirtschaftsgüter bei Aufgabe des Betriebes in Betracht zu ziehen ist, gestattet § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG trotz Entnahmeerklärung einen Ansatz von Wirtschaftsgütern des aufgebenden Betriebs mit dem gemeinen Wert nur, wenn die Wirtschaftsgüter nicht in zeitlichem Zusammenhang veräußert werden oder Veräußerungsversuche erfolglos bleiben.
- Hat der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe die sichere Erwartung, seinen Grundbesitz zu einem über dem Verkehrswert liegenden Preis zu verkaufen, so ist als gemeiner Wert der höhere Preis anzusetzen.
- Der sicheren Erwartung dieses Erlöses steht die erforderliche Genehmigung der übrigen Miteigentümer nicht entgegen, wenn es sich um ein sensationell gutes nicht wiederkommendes Angebot handelte.
- Der Verkauf eines Grundstücks ist dem Finanzamt auch dann nicht bekannt i.S.d. § 173 Abs. 1 AO, wenn in der Gewinn- und Verlustrechnung ein "Entnahme- bzw. Veräußerungsgewinn" ausgewiesen ist, es jedoch offen bleibt, welche Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens verkauft bzw. entnommen worden sind.
- Dem zuständigen Bediensteten mündlich mitgeteilte Tatsachen, sind der Finanzbehörde nicht bekannt, soweit die Mitteilung in ungehöriger Form, z.B. in einem Wortschwall oder in verdeckter Weise erfolgte.
- Tatsachen, die dem Bearbeiter fernmündlich, in ganz anderem Zusammenhang und zeitlich weit vor der Abgabe der Steuererklärung übermittelt werden, muß sich das Finanzamt nicht als zum Zeitpunkt der Veranlagung bekannt zurechnen lassen.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1; EStG § 16 Abs. 1, 3 S. 3
Streitjahr(e)
1991
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie streiten mit dem Finanzamt über die aufgrund einer Betriebsprüfung vorgenommene Erhöhung eines Veräußerungsgewinns um 3.435.000,-- DM.
Der Kläger war zu einem Anteil von 103/1000 Miteigentümer des Grundstücks Straße 16-40 in E. Hierbei handelt es sich um ein insgesamt 11.683 qm großes Areal, das nach dem Wohnungseigentumsgesetz in Teileigentumsanteile verbunden mit dem Sondereigentum an Büro- und Lagerräumen aufgeteilt war und als "Haus der ..." bezeichnet wurde. In den ihm gehörenden Geschäftsräumen betrieb der Kläger bis zum 28.02.1991 unter der Firma "H. M., Inhaber H. S." eine Handelsvertretung für ...-artikel. Der Gewinn wurde nach § 5 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt. Zuständig für die Besteuerung der Kläger war das Finanzamt F., bis die Zuständigkeit im September 1991 auf das neuerrichtete Finanzamt H. überging.
Mit Schreiben seines steuerlichen Beraters vom 16.08.1990 teilte der Kläger dem Finanzamt seine Absicht mit, den Betrieb nach Umwandlung in eine GmbH an einen Mitarbeiter zu veräußern. Das Betriebsgrundstück sollte zuvor entnommen und zur Vermeidung einer Betriebsaufspaltung an die Ehefrau verschenkt werden. Als Entnahmewert schlug der Kläger dem Finanzamt einen Betrag von 800.000,-- DM vor (280 % des Einheitswertes). Das Finanzamt schloß sich dem nicht an und hielt die Einschaltung eines Bausachverständigen für erforderlich.
Am 15.12.1990 beauftragte der Kläger den Gutachterausschuß für Grundstückswerte und sonstige Wertermittlungen für den Bereich des YY-Kreises mit der Erstellung eines Gutachtens über den Verkehrswert seines Teileigentumanteils. Der Gutachterausschuß schätzte im Gutachten vom 29.01.1991, das dem Kläger mit Schreiben vom 19.02.1991 übersandt wurde, den Verkehrswert auf 1.200.000,-- DM, wobei zur Wertermittlung der im Jahre 1990 erzielte Kaufpreis für einen Miteigentumsanteil am selben Grundstück zugrundegelegt wurde.
Zu dieser Zeit bemühte sich die A.- Immobilienverwaltungs GmbH mit Sitz in E. darum, das gesamte "Haus der ..." zu erwerben. Die Kläger wollen hiervon keine Kenntnis gehabt haben. Nach ihren ursprünglichen Angaben in der Klagebegründung befanden sie sich in der Zeit vom 16.02. bis zum 02.03.1991 im Ski-Urlaub in D. Diese Angaben haben die Kläger im Laufe des Verfahrens auf Vorhalt des Finanzamtes dahin korrigiert, dass der Urlaub schon am 27.02.1991 beendet wurde.
Am 18.02.1991 wurden vor dem Notar Dr. H. in E. Grundstückskaufverträge mit allen Miteigentümern protokolliert, für die vollmachtlos und vorbehaltlich einer nachträglichen Genehmigung Herr M. G. - einer der Miteigentümer - auftrat. Der Kaufvertrag des Klägers sah einen Kaufpreis von 4.635.000,-- DM vor. Dem Käufer wurde ein Rücktrittsrecht für den Fall eingeräumt, dass nicht innerhalb von vier Wochen wirksame Kaufverträge zum Ankauf der sonstigen Teileigentumsanteile an dem Grundstück zustande gekommen sein s...