vorläufig nicht rechtskräftig
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [III R 32/23)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung des inländischen Wohnsitzes eines volljährigen Kindes im Elternhaus von einem Aufenthalt mit Besuchscharakter zwischen zwei Ausbildungsabschnitten im (selben) Drittstaat
Leitsatz (redaktionell)
Hält sich ein volljähriges Kinders nach einem freiwilligen sozialen Jahr in einem Drittstaat nur wenige (hier 6) Wochen im inländischen Elternhaus auf und kehrt es mehr als zwei Monate vor Beginn des im selben Drittstaat geplanten Studiums in den Drittstaat zurück, ohne dass hierfür hinreichende ausbildungsbezogene Gründen vorliegen, lässt dies auf bloße Besuchszwecke schließen, so dass im Elternhaus kein für das Kindergeld notwendiger Wohnsitz mehr besteht.
Normenkette
AO § 8; EStG § 63 Abs. 1 S. 3, § 31 Abs. 3
Streitjahr(e)
2019
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Festsetzung von Kindergeld für die Monate August bis November 2019.
Der Kläger ist Kindsvater der in 1999 geborenen A. Durch Bescheid vom 12.07.2022 hatte die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für A aufgehoben. Durch am 29.07.2022 bei der Familienkasse eingegangener Erklärung zu den Verhältnissen eines volljährigen Kindes, beantragte der Kläger wiederum die Festsetzung von Kindergeld für A. Durch Bescheid vom 28.08.2019 wurde die Festsetzung wiederum abgelehnt, da das Kind weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein, den er jedoch nicht weiter begründete. Die Beklagte wies den Einspruch daraufhin als unbegründet zurück.
A absolvierte in der Zeit vom 01.09.2018 bis zum 30.06.2019 ein freiwilliges soziales Jahr in B. In der Zeit vom 06.07.2019 bis zum 21.08.2019 hielt sie sich anschließend in Deutschland im elterlichen Haus auf. Während dieses Aufenthalts absolvierte A diverse Arztbesuche. Am 21.08.2019 kehrt sie schließlich nach B zurück und begann am 24.10.2019 ihr Studium an der Universität in B. Hierbei handelte es sich um den Studiengang „Internationales BA in Geisteswissenschaften”. Die Studiensprache war Englisch. Die Zusage eines Studienplatzes erhielt sie bereits am 19.03.2019 per E-Mail. Laut des dieser E-Mail beigefügten Informationsblattes der Universität B (Bl 35 ff. der Verfahrensakte) wäre es für die Tochter möglich gewesen für die Zeit des Studiums ein Zimmer in einem Studentenwohnheim für … USD monatlich zu mieten. Nach ihrer Rückkehr nach B lebte sie zunächst bei ihrem Freund und suchten mit diesem gemeinsam eine Wohnung in B. Eine möblierte Wohnung wurde am 27.08.2019 durch den Freund der Tochter des Klägers, Herr C, für Zeit vom 13.09.2019 bis zum 12.09.2020 angemietet. Eine Verlängerung des Mietvertrages (Bl. 178 ff. der Verfahrensakte) war möglich. Für den Mietvertrag bürgten die Eltern des Freundes der Tochter des Klägers. Der Mietpreis betrug … NIS (ca. … Dollar nach damaligem Umrechnungskurs) zuzüglich der Kosten für Wasser, Strom, Hausverwaltung und Gasverbrauch.
Mit am 09.12.2019 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz erhob der Kläger Klage auf Festsetzung und Zahlung von Kindergeld.
Er begründet dies damit, dass seine Tochter sowohl während des freiwilligen sozialen Jahres als auch vor, beziehungsweise während des Studiums den Wohnsitz beim Kläger beibehalten habe. Insbesondere sei in der Tatsache, dass die Tochter bereits zwei Monate vor Studienbeginn nach B zurückgereist sei, keine Aufgabe des Wohnsitzes im Inland zu sehen. In dieser Zeit habe die Tochter eine Wohnung suchen, sich mit der Universitären Umgebung vertraut machen, ein Konto eröffnen und ihre Sprachkenntnisse für den Alltag vertiefen müssen. Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für geplante Auslandsaufenthalte bis zu einem Jahr spreche eine widerlegbare Vermutung für die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes. Diese Regelvermutung gelte für das dem Studium vorangegangene freiwillige soziale Jahr, da das Studium hiervon unabhängig zu betrachten sei. Außerdem sei aus der finanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht zu entnehmen, dass Nachweise für das Beibehalten eines inländischen Wohnsitzes bereits vor dem Studienbeginn zu erbringen sind.
Der Kläger beantragt,
- Der Ausgangsbescheid der Beklagten vom 28.08.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.11.2019 werden aufgehoben.
- Die Beklagte wird verpflichtet, Kindergeld für die Tochter A, geboren in 1999, ab dem Monat August 2019 zu gewähren.
- Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie begründet dies damit, dass die Tochter den Wohnsitz im Inland aufgegeben habe, da die Besuche im Inland nur noch Besuchscharakter gehabt hätten. Sie sei in Israel mit ihrem Freund zusammengezogen und es sei deshalb zu einer Verlagerung des Lebensmittelpunktes und des Wohnsitzes nach B gekommen.
Der Senat hat durch Beschluss vom 28.06.2022 den Rechtstreit dem Einzelrichter zur Entsch...